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  Lesen schadet den Augen

 

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    Erich Adler ©

    Herbstbild mit Flügel

 

Auf der Fahrt in den Nachmittag die gewohnt bunten Hügel hinauf, dann jenseits der Straße, sanft durch die Schlaglöcher, an einer gezäunten Wiese entlang schaukelnd, durch Gelbes, Rotes und Herbstliches, wie man es kennt: Die Blätter fallen, fallen  weiterhin aus Gedichten, die ich in die Stille zitiere,  bis ich auf der Anhöhe zwischen  unerschütterten Gallowayrindern, die sich mit lockigem Schädel tiefer in diese fremde Landschaft fressen, über dem Boden jenseits des rostenden Drahtes einen hochgestellten, um sich schlagenden Flügel eines verendeten Vogels erblicke  - ein in die Luft fächernder Kapitän Ahab - sterbend winkend, winkend sterbend bereits an das zur Tiefe sinkende Grab gebunden.

 Im Wind rhythmisch protestierend treibt er das Fallen meines  Barometers voran, bis der Waldweg unbefahrbar wird, schaukelnd zurück durch die gelassen welkenden  Bäume, Blätter und Gräser, die meinen Blick verlangsamen noch, bevor ich am Abend auf dem Kulturkanal durch Erklärung der einsteinschen Formel über die Relativität meiner Bewegung nachzudenken lerne.

 Am Morgen zeitig geweckt durch eine aufgeregte Formation weißer, im blauen Raum über mir lärmender Wildgänse.

                                                                          ***  

    Kräfte

 

Irgendwann gegen Nachmittag -  Schneefall vom Himmel, nicht endend  ohne Vorwarnung. Früh fällt Dämmerung orientierungslos über mich: Körpergeographie im Schlingern, Erinnerung an Menschen auf dem Rückzug - vier Frauen, in einen Kleinwagen gedrängt, starten lachend Richtung Dorfausgang, zwei furchtlosen Scheinwerfern folgend in das angestrahlte Grau dichter werdender Flocken -  meine Augen halten noch kurz das Ausbrennen der Rücklichter fest - dann drehe ich mich um , sehr allein jetzt, ohne dass mich mehr als ein teigiger Abendbeginn erwartet. - Eine Weile im dunklen Haus auf der Suche nach Kerzen oder Teelichtern, die gewöhnlich aus den Küchentischladen rollen, wenn man hier die Hand nach dem obligatorischen Weinflaschenöffner ausstreckt.

Mein Nachbar kommt,  klopft mit mächtiger Faust, da die Klingel  ihren Zweck nicht erfüllen kann, und lädt ans Kaminfeuer, menschlich., aber ich bleibe höflich und unerschrocken in kalter Isolation, hin und wieder mit geringem Energieaufwand den Lichtschalter hin- und herbewegend. Später, der Abend hat sich längst auf dem Sofa breit gemacht, lese ich, immer noch bei Kerzenschein, in einer Chandler-Erzählung, in der sich Menschen in Partylaune um ihren Verstand saufen, während die Jacaranda-Bäume blühen.

Umfassender Ausfall der Stromversorgung, weder Telefon noch Handy führen als Kompass zum verlorenen Himmel. An den Wänden  Schatten und bisher nicht gesehene Verfärbungen, Formloses mit Interesse neu beobachtet, bedacht. Dann kehrt das Licht zurück. Lauschen, keine hörbare Erleichterung, die von außen über den Zaun herüberschallt. Ist die Straße schon zu Bett gegangen?

 Am Morgen im Garten am Strauch letzte Novemberrosen, noch in Blüte und scheinbar dauerhaftem Widerstand, rot gegen weißen Hintergrund - ein Wintergemälde südlich des Herzens, dessen Energiequelle sprachlos werden lässt, ich selbst, weniger gewärmt vom Wunsch nach Kaffee als von dieser Blüte, allem irdischen Schneefall zum Trotz - zum Trost.

                                                                                                                                                                         ***                                                                                    Vorfrühling

 

Die Straße hinunter, von Sonnenstrahlen sanft angeschoben, geht mein Blick auf die andere Seite in einen Garten, blumenleer, die Kirschbäume noch ganz ohne Blüte auch tags, nicht sichtbar seine Erwartung,  sehe ich zwei größere Jungen,  ihre bunten Schultaschen achtlos zur Seite geworfen, in einen kleinen Haufen aus schmutzigem Schnee treten, immer wieder mit der Fußspitze hinein, als könne der kalte Rest durch Starrsinn zu Wachstum getrieben werden.

Vorfrühling, anstößig - tapfer scheint sich das Häuflein zu wehren.

Ich möchte, von allen Worten verlassen, Tröstliches hinüberrufen und bitten, den Winter nicht mehr zu fordern;  ein falscher Zeitpunkt für diese Ohren, die mit dünnen silbernen Kabeln geerdet sind - - - und mit  Verachtung.

                                                                      ***

    erschienen in:

  Momente & Landschaften (Kurzprosa & Gedichte) Engelsdorfdorfer Verlag. Berlin 2007

                 

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