Ehepaar_Busch2

 

  Lesen schadet den Augen

 

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                                                         Motivkreis Appell

 

            Georg Herwegh (1817 - 1875)

            Das Lied vom Hasse

             1841

             

            Wohlauf, wohlauf, über Berg und Fluß

            Dem Morgenrot entgegen,

            Dem treuen Weib den letzten Kuß,

            Und dann zum treuen Degen!

            Bis unsre Hand in Asche stiebt,

            Soll sie vom Schwert nicht lassen;

            Wir haben lang genug geliebt

            Und wollen endlich hassen!

             

            Die Liebe kann uns helfen nicht,

            Die Liebe nicht erretten;

            Halt du, o Haß, dein Jüngst Gericht,

            Brich du, o Haß, die Ketten!

            Und wo es noch Tyrannen gibt,

            Die laßt uns keck erfassen;

            Wir haben lang genug geliebt

            Und wollen endlich hassen!

             

            Wer noch ein Herz besitzt, dem soll's

            Im Hasse nur sich rühren;

            Allüberall ist dürres Holz,

            Um unsre Glut zu schüren.

            Die ihr der Freiheit noch verbliebt,

            Singt durch die deutschen Straßen:

            "Ihr habet lang genug geliebt,

            O lernet endlich hassen!"

             

            Bekämpfet sie ohn Unterlaß,

            Die Tyrannei auf Erden,

            Und heiliger wird unser Haß

            Als unsre Liebe werden.

            Bis unsre Hand in Asche stiebt,

            Soll sie vom Schwert nicht lassen;

            Wir haben lang genug geliebt

            Und wollen endlich hassen!

                *

          Georg Herwegh  (1817 - 1875)

          Polen an Europa

           März 1846

           

          Der heil'ge Krieg ist neu entglommen,

              Die Söhne Polens werden wach,

          Wir haben unser Schwert genommen

              Nach fünfzehn Jahren tiefer Schmach.

          An dich, du stumme Zeugin unsrer Klage

              Und unsrer namenlosen Qual,

          An dich, Europa, richten wir die Frage:

              Verläßt du uns zum zweitenmal?

           

          Ist's nicht ein Kampf für deine Sache?

              Ein Kampf, von jedem Flecken rein?

          Auf! Polens Adler will der Rache

              Gebenedeiter Engel sein.

          Die Saat ist reif, es rauschen unsre Sensen,

              Wir schwingen auch für dich den Stahl:

          Die Hoffnung sieh in unsern Augen glänzen -

              Verlaß uns nicht zum zweitenmal!

           

          Du liegst an alter Schuld erkranket -,

              Europa, o entsühne dich!

          Und schnell, solang die Waage schwanket,

              Wirf noch dein Herz hinein für mich.

          Dein Zaudern wäre dreifach ein Verbrechen,

              Denn dreifach ist der Feinde Zahl;

          Für dich und mich ein dreifach Joch zu brechen,

             Verlaß mich nicht zum zweitenmal.

           

          Ein wildes Meer von Aufruhrflammen,

              Der Zorn der ganzen Weit vereint,

          Schlag über seinem Haupt zusammen

              Und trümmre nieder unsern Feind!

          Deutschland! sei zwischen uns ein Bundeszeichen,

              Der Freiheit loderndes Signal!

          Auch Polens Aar trägt einen Kranz von Eichen:

              Verlaß mich nicht zum zweitenmal.

           

          Auf, Preußen, schüttle deine Ketten!

              Erkämpf dein Recht, der Tag ist da!

          Es gilt ja mich und euch zu retten -

              Auf, Ungarn! auf, Italia!

          O Galliens Hahn, sprich, bist du blind geworden

              Und ahnst du nicht den Morgenstrahl?

          Sie nahn, sie wüten, die Barbarenhorden -

              Verlaßt uns nicht zum zweitenmal!

                                                                    *

 

        Georg Weerth (1822-1856)

         Das Hungerlied

         

        Verehrter Herr und König,

         Weißt du die schlimme Geschicht?

         Am Montag aßen wir wenig,

         Und am Dienstag aßen wir nicht.

 

         Und am Mittwoch mußten wir darben,

         Und am Donnerstag litten wir Not;

         Und ach, am Freitag starben

         Wir fast den Hungertod!

         

         Drum laß am Samstag backen

         Das Brot, fein säuberlich –

         Sonst werden wir sonntags packen

         Und fressen, o König, dich!

                                                         (1845) 

 

     

            Joachim Fuhrmann  ( * 1948)

            An die Großmütter

             

            Schenkt euren Kindern

            und Enkeln

            keine Kissen

            sie haben

            zu viele davon

            schenkt ihnen

            harte Stühle

            und fordert sie auf

            das Sofa zu räumen

            denn auf den Stühlen

            sitzen sie besser

            dort schläfts sich

            schlechter

            und vielleicht

            werden sie dann

            eines Tages

            aufwachen

             

             *

 

        Joachim Fuhrmann  ( * 1948)

        Was wir brauchen

         

        Keine schulgerechten Kinder

        sondern kindgerechte Schulen

         

        Keine ausbildungsgerechten Lehrlinge

        sondern eine lehrlingsgerechte Ausbildung

         

        Keine fabrikgerechten Arbeiter

        sondern arbeitergerechte Fabriken

         

        Keine bürogerechten Angestellten

        sondern angestelltengerechte Büros

         

        Keine umweltgerechten Menschen

        sondern eine menschengerechte Umwelt

         

        Keine gesellschaftsgerechten Bürger

        sondern eine bürgergerechte Gesellschaft

              

                                   *

    aus:    Trotzdem läuft alles, Texte Joachim Fuhrmann & Bilder Manfred Pixa

                                               neue presse , Hamburg 6, 1975, S. 37- 39

          Dem Autor ein herzliches Dankeschön für die Abdruckerlaubnis vom 16. 03. 2010

 

                                Ehrlich bleiben! -- nicht copyfrei:

     

     Günter Eich (1907 - 1972) (Wacht auf, denn eure Träume sind schlecht)  

     

     Hilde Domin (1909 - 2006) Appell (Geh nicht als ein Erlöschender)

                                                 Abel steh auf (Abel / steh auf) 

     

     Hans Magnus Enzensberger (* 1929) Ins Lesebuch für die Oberstufe

                                               (Lies keine Oden, mein Sohn, lies die Fahrpläne)   

                                                                                                   

     Wolf Biermann (* 1936)  Warte nicht auf bessre Zeiten                                                                                            (Manchen hör ich bitter sagen)              

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 

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