Die Aeltern als Sohnesmörder. Eine wahre Begebenheit
In einem Dorf in österreichisch Polen
Erhielt ein alter Bauer den Bericht,
Daß man den eignen Sohn ihm werde holen,
Wenn er nicht bald erfüllet seine Pflicht!
Er soll der Stellung1 sich nicht mehr entziehen,
Denn nützen wird es ohnehin wohl schwer!
Was wollt er thun? Er wollt nicht mehr entfliehen
Und stellte sich getrost zum Militär.
Er diente manches Jahr recht brav und bieder,
Und da die Heimath ihm so lieb und werth,
Erwachte in ihm bald die Sehnsucht wieder,
Und richtig ward ein Urlaub ihm gewährt!
Auf Windesflügeln lenkt' er seine Schritte,
Kam glücklich in der theuren Heimat an;
Nun blieb er stehen in des Dorfes Mitte,
Empfing den Richter, einen alten Mann!
Gott grüß' euch! Sprach der Krieger tief gerühret,
Ich seh' euch noch so wacker und gesund,
Und wünsche sehr, daß ihr mich einquartieret,
Bei meinem Vater, doch macht ihm nichts kund,
Denn ich will Beide morgen überraschen,
Die Freude, wenn sie seh'n ihr einzig Kind
Ich werde jubelnd in die Hände klatschen,
Kommt guter Alter! Führt mich hin geschwind!
Der Richter führte ihn zu jenem Bauer,
Und sprach: Der Mann ist heute einquartiert!
Den Krieger überfiel ein leiser Schauer
Es war ihm fremd, daß man ihn kalt traktiert 2;
Doch er besänftigte sich selber wieder
Und dachte sich: 's geht oft so in der Welt!
Er setzte sich an einem Tische nieder,
Und zählte nun das viel, ersparte Geld
Im seine Altern mehr noch zu erfreuen,
sagt' er der Mutter, daß er dieß ersparet
Und meinte auch, sie habe nichts zu scheuen,
Wenn sie das Geld einstweilen aufbewahr't.
Die Mutter, die schon manche harte Summen
Verspendet hatte, um ihn zu befrei'n,
Die bracht' der Anblik dessen zum Verstummen
Und ach! Sie blendete des Geldes Schein!
Im seine Altern mehr noch zu erfreuen,
sagt' er der Mutter, daß er dieß erspar’t
Und meinte auch, sie habe nichts zu scheunen,
Wenn sie das Geld einstweilen aufbewahr’t.
Die Mutter, die schon manche harte Summen
Verspendset hatte, um ihn zu befrei’n,
Die bracht der Anblick dessen zum Verstummen
Und acht! Sie blendete des Geldes Schein!
Als der Soldat zur Ruhe sich begeben,
Erzählt' sie ihrem Manne alles klar,
Und seufzte: Ach mein Sohn! Ist er am Leben?
Er, der mein Allerliebstes immer war?
Das Häuschen haben wir für ihn verschuldet,
Schon viele Summen eingebüßt dabei,
Viel Kummer und viel Schmerz für ihn erduldet,
Und jetzt nach Jahren ist er noch nicht frei?
Was der Soldat, sprach sie, mir hat gegeben,
Wenn dieß vielleicht noch unser werden könnt',
Dann ließe sich vielleicht das noch erstreben,
Wonach sich unser Herz so innig sehnt!
Der Mann zu rasch in allen seinen Thaten,
Und unterstützt von harter bitt'rer Noth,
Befahl dem Weibe: Bringe einen Spaten!
damit schlug er den eig'nen Sohn gleich todt!
Da kam der Richter, der vor Freude lacht
Und sprach: Nun sagt: Wie geht es eurem Sohne
Denn ich euch einquartierte für die Nacht?
Die Mutter schrak verzweiflungsvoll zusammen
Entdekt' vor ihrem Tod die Schauderthat,
Eh sie den Vater vestzunehmen kamen,
Entleibt'3 er sich, und war schon todesmatt!
Anmerkungen:
Stellung1 = (seine Gestellung bekommen) Einberufung zum Militär
traktiert 2 = (traktieren) distanziert und kühl behandelt werden
entleibt 3 = (sich entleiben) Selbstmord begehen