“... Lesen schadet den Augen! ”

 

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Interpretation:  Dein Kopf auf meiner Brust (Reiner Kunze) – Hausaufgabe

 

        DEIN KOPF AUF MEINER BRUST

        Mit meinem rechten schlüsselbein

        schließen wir uns ein

        in den schlaf

         

        Sollte ich’s im traum

        verlegen, nehmen wir, uns wachzuschließen,

        das linke

         

        Mich nur, mich halte fest,

        der schlaf hat schloß und klinke

                                                                                 (1980)

                      aus:  auf eigene hoffnung, S. Fischer Verlag Frankfurt a. M. 1981, S. 49 

 

Mein Lieblingsautor www.reiner-kunze.com wird auch von Kollegen geschätzt. Ganz herzlichen Dank dem Autor für die Abdruckerlaubnis - August 2007

                                                                                                                 

Das Gedicht „Dein Kopf auf meiner Brust", von Reiner Kunze geschrieben,  handelt von der Liebe zwischen Mann und Frau, die als etwas beschrieben wird, was nicht eingeschlossen und gesichert werden kann. Jeder Versuch dieses zu tun würde misslingen. Die Liebe wird hier also als etwas durchaus Vergängliches gesehen,  um das man sich immer neu bemühen muss.

In dem Gedicht, das aus drei Strophen besteht, wobei sich die ersten beiden aus drei Verszeilen und die letzte aus zwei Verszeilen zusammensetzen, sind kein durchgängiges Metrum sowie keine Kadenzen festzustellen. Auch ist kein Reimschema erkennbar, obwohl sich Vers 1 und 2 sowie Vers 6 und 8  reimen.

In der ersten Strophe wird der Vorgang des Einschließens in den Schlaf beschrieben, wobei dies als eine Metapher zu sehen ist. Der Schlaf wird als Raum der Liebe und Geborgenheit und als Traumland der Zweisamkeit gesehen. Die Wörter in den Schlaf werden hierbei besonders hervorgehoben. So haben sie nicht nur eine eigene Verszeile sondern auch die Schlussposition im Satz als eine Art Anhängsel. Dieses dient zur Verdeutlichung der schon genannten Metapher.

Die zweite Strophe weist einen hypotaktischen Satzbau auf. Hier beschreibt das lyrische Ich, dass - falls es der Versuchung erlegen sollte, den Schlüssel bzw. das Schlüsselbein zu verlegen - immer noch ein Ersatz, nämlich das linke, da sei. Das heißt: Falls es diesen Raum der Liebe mit seiner ewigen Verbundenheit und Zweisamkeit nicht verlassen wolle,  dieses aufgrund des Ersatzes gar nicht möglich sei. Aber es wird noch etwas anderes gezeigt: In der fünften Verszeile wird nämlich das Wort wir besonders hervorgehoben, indem es durch Kommas abgegrenzt wird. Dieses betont besonders das gegenseitige Einverständnis beim Vorgang des Öffnens, also der zeitweiligen Lockerung der so intimen Verbundenheit und der dadurch entstehenden persönlichen Freiräume.

In der dritten Strophe wird hierauf Bezug genommen. Das lyrische Ich fordert hier seine Partnerin auf es trotzdem festzuhalten, gerade weil jetzt kein Zwang mehr zur ewigen Verbundenheit besteht. Besonders betont wird durch die Verwendung einer Repetitio bei mich nur, mich halte fest, dass diese Aufforderung nur auf ihn allein bezogen ist. Die letzte Verszeile stellt hierfür quasi noch mal eine Begründung dar, sie ist aber auch eine Zusammenfassung des gesamten Gedichtes. Die Anfangsmetapher des Schlafes als Bild für einen Raum der ewigen Liebe und Zweisamkeit wird erneut aufgegriffen. Ihr wird jetzt jedoch zu der Möglichkeit des Schließens auch die des Öffnens hinzugefügt.

Insgesamt zeigt sich hier, dass die Liebe etwas ist, was man nicht im übertragenen Sinne einschließen kann. Man kann sich ihr zwar zeitweise völlig hingeben, also absolut auf den Partner eingehen und alles andere in den Hintergrund stellen, doch dieses kann nicht von Dauer sein und darf es auch nicht. In der Liebe muss es auch Platz für jeden einzelnen Partner und dessen eigene Bedürfnisse geben. Jeder muss seine persönlichen Freiheiten behalten. Dieses kann zwar die Gefahr bergen, dass eine Liebe ganz auseinander bricht, doch es sollte eine Herausforderung darstellen, der Aufforderung nachzugehen auch so aneinander festzuhalten.

 

                                    Marita Hoheisel ©  GBE 2001 Kl. 10 (B. Hölscher)    

                                                                    

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