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Liebesgedichte - zum Heulen schön!
Nicht nur lesen, denn das ..........
Unbekannt
Du bist min, ich bin din.
Des solt du gewis sin.
Du bist beslozzen

In minem herzen,
verlorn ist das sluzzelin:
du muost ouch immer darinne sin.
(1150?)
Walther von der Vogelweide ( ca.1170 – 1230)
Under der linden
›Under der linden
an der heide,
dâ unser zweier bette was,
dâ mugt ir vinden
schône beide
gebrochen bluomen unde gras.
vor dem walde in einem tal
tandaradei,
schône sanc diu nahtegal.
Ich kam gegangen
zuo der ouwe:
dô was mîn friedel komen ê.
dâ wart ich enpfangen,
hêre frowe,
daz ich bin saelic iemer mê.
kust er mich? wol tusentstunt,
tandaradei,
seht wie rôt ist mir der munt.‹
Dô het er gemachet
alsô rîche
von bluomen eine bettestat.
des wirt noch gelachet
inneclîche,
kumt iemen an das selbe pfat.
bî den rôsen er wol mac
tandaradei,
merken wâ mirz houbet lac.
Daz er bî mir laege,
wessez iemen
nu enwelle got! sô schamt ich mich.
wes er mit mir pflaege,
niemer niemen
bevinde daz, wan er unt ich,
und ein kleinez vogellîn:
tandaradei,
daz mac wol getriuwe sîn.<
Erich Adler ©
(Adaption des schlicht Unübersetzbaren )
1.
Unterm Lindenbaum
in der Heide - dort
wo unser beider Bett gemacht
könnt ihr - eventuell - entdecken
gleichmäßig zerdrückte
Blumen und Gras
vorm Wald in einem Tal
- tandaradei -
schön über uns schluchzt’ die Nachtigall
2.
Ich kam gegangen
zu unserm Grasplatz
mein Liebster - er war schon vor mir da
so wurd ich empfangen
- o, heilige Jungfrau -
dass ich auf immer glücklich sein kann
ob er mich küsste??? - wohl tausendmal tausend - - -
- tandaradei -
schaut her - mein Mund ist ja blutrot
3.
Von ihm ganz allein
so reich aufgeschüttet
ein Bett nur aus Blumen
dort hüpft in der Brust eines jeden
das Herz
dem der Zufall den gleichen Weg weist
die Lage der Rosen verrät ihm
- tandaradei -
wo mein Kopf mal geruht.
4.
Dass er bei mir lag - - -
O, wenn das jemand wüsste
- da sei Gott vor - schamrot würd ich werden
was er mit mir gemacht hat
Niemals, ach niemals
soll’s jemand erfahren! - nur er und ich -
und ein kleines Vögelchen
- tandaradei -
auf das aber kann ich mich wohl verlassen.
Unbekannt (1467)
Es ist ein Schnee gefallen,
Und es ist doch nit Zeit,
Man wirft mich mit den Ballen,
Der Weg ist mir verschneit.
Mein Haus hat keinen Giebel,
Es ist mir worden alt,
Zerbrochen sind die Riegel,
mein Stüblein ist mir kalt.
Ach Lieb, laß dich's erbarmen,
Daß ich so elend bin,
Und schleuß mich in deine Arme,
So fährt der Winter dahin.
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Martin Opitz (1597 – 1639)
Liedt
Ach Liebste / laß vns eilen /
Wir haben Zeit:
Es schadet das verweilen
Vns beyderseit.
Der edlen Schönheit Gaben
Fliehn fuß für fuß:
Das alles was wir haben
Verschwinden muß.
Der Wangen Ziehr verbleichet /
Das Haar wird greiß /
Der Augen Fewer weichet /
Die Brunst wird Eiß.
Das Mündlein von Corallen
Wird vngestalt /
Die Händ' als Schnee verfallen /
Vnd du wirst alt.
Drumb laß vns jetzt geniessen
Der Jugend Frucht /
Eh' als wir folgen müssen
Der Jahre Flucht.
Wo du dich selber liebest /
So liebe mich /
Gieb mir / das / wann du giebest /
Verlier auch ich.
(1624)
Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1617 – 1679)
Vergänglichkeit der Schönheit
Es wird der bleiche Todt mit seiner kalten Hand
Dir endlich mit der Zeit umb deine Brüste streichen/
Der liebliche Corall der Lippen wir verbleichen.
Der Schultern warmer Schnee wird werden kalter Sand/
Der Augen süsser Blitz/ die Kräffte deiner Hand/
Für welchen solches fällt/ die werden zeitlich weichen/
Das Haar/ das itzund kan des Goldes Glantz erreichen/
Tilgt endlich Tag und Jahr als ein gemeines Band.
Der wohlgesetzte Fuß/ die lieblichen Gebärden/
Die werden teils zu Staub/ theils nicht und nichtig werden/
Denn opfert keiner mehr der Gottheit deiner Pracht.
Diß und noch mehr als diß muß endlich untergehen/
Dein Hertze kann allein zu aller Zeit bestehen/
Dieweil es die Natur aus Diamant gemacht.
Anm.: V 8: gemeines = vereintes, gemeinsames
Paul Fleming (1609 – 1640)
Wie er wolle geküsset sein
Nirgends hin als auf den Mund,
da sinkts in des Herzens Grund.
Nicht zu frei, nicht zu gezwungen,
nicht mit gar zu faulen Zungen.
Nicht zu wenig, nicht zu viel,
beides wird sonst Kinderspiel.
Nicht zu laut und nicht zu leise,
bei der Maß ist rechte Weise.
Nicht zu nahe, nicht zu weit,
dies macht Kummer, jenes Leid.
Nicht zu trocken, nicht zu feuchte.
wie Adonis Venus reichte.
Nicht zu harte, nicht zu weich,
bald zugleich, bald nicht zugleich.
Nicht zu langsam, nicht zu schnelle.
nicht ohn Unterschied der Stelle.
Halb gebissen, halb gehaucht,
halb die Lippen eingetaucht.
Nicht ohn Unterschied der Zeiten,
mehr alleine denn bei Leuten.
Küsse nun ein jedermann,
wie er weiß, will, soll und kann!
Ich nur und die Liebste wissen,
wie wir uns recht sollen küssen.
Johann Georg Jacobi (1740 – 1814)
Erinnerung
Glück der Engel, wo geblieben?
Wo geblieben, schöner Tag,
Als mit unbesorgtem Lieben
Ihre Hand auf meinem Herzen lag?
O, sie fühlte jeden Schlag,
Und in jedem lauter Lieben!
Wo geblieben,
Glück der Engel, schöner Tag?
Johann Georg Jacobi (1740 – 1814)
An die Liebe
Von dir, o Liebe, nehm ich an
Den Kelch der bittern Leiden;
Nur einen Tropfen dann und wann
Nur einen deiner Freuden!
So wird dein Kelch, o Liebe, mir
Wie Feierbecher glänzen;
Auch unter Tränen will ich dir
Mit Rosen ihn bekränzen.
Johann Georg Jacobi (1740 – 1814)
Abend
Komm, Liebchen! es neigen
Die Wälder sich dir;
Und alles mit Schweigen
Erwartet dich hier.
Der Himmel, ich bitte,
Von Wölkchen wie leer!
Der Mond in der Mitte,
Die Sternlein umher!
Der Himmel im glatten
Umdämmerten Quell!
Dies Plätzchen im Schatten,
Dies andre so hell!
Im Schatten, der Liebe
Dich lockendes Glück;
Dir flüsternd: es bliebe
Noch vieles zurück, -
Es blieben der süßen
Geheimnisse viel;
So festes Umschließen;
So wonniges Spiel! -
Da rauscht es! Da wanken
Auf jeglichem Baum
Die Äste! Da schwanken
Die Vöglein im Traum.
Dies Wanken, dies Zittern
Der Blätter im Teich —
O Liebe, dein Wittern!
O Liebe, dein Reich!
Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)
Willkommen und Abschied (Spät-Fassung von 1789)
Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war getan, fast eh gedacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer;
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern, welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!
Dich sah ich, und die milde Freude
Floss von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich - ihr Götter!
Ich hofft es, ich verdient es nicht!
Doch ach, schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
Aufschlussreich, wie dieser gute Mann nach Jahren Abstand die Blickrichtung ändern konnte, ist ein Vergleich mit der Frühfassung von
1771 - vor allem in der letzten Strophe: Friederike, die kleine Pfarrerstochter aus Sesenheim, geht mit gebrochenem Herzen aus der Szene
und Jüngling Goethe bleibt schluchzend zurück. - Da schämt man sich halt nach ein paar Jahren, Herr “Kultusminister”, gell? ---------
Drum: Die Tränen des Harry Heine sind mir lieber. (Denk ich an Deutschland in der Nacht!):
Heinrich Heine (1797 –1856)
Sie saßen und tranken am Teetisch,
Und sprachen von Liebe viel.
Die Herren, die waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.
„Die Liebe muss sein platonisch“,
Der dürre Hofrath sprach.
Die Hofräthin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzet sie: „Ach!“
Der Domherr öffnet den Mund weit:
„Die Liebe sei nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit.“
Das Fräulein lispelt: „Wieso?“
Die Gräfin spricht wehmütig:
„Die Liebe ist eine Passion!“
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herrn Baron.
Am Tisch war noch ein Plätzchen,
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.
* (aus: Lyrisches Intermezzo - 1822/23)
Heinrich Heine ( 1797 –1856)
Ich hab im Traum geweinet,
Mir träumte, du lägest im Grab.
Ich wachte auf, und die Träne
Floss noch von der Wange herab.
Ich hab im Traum geweinet,
Mir träumt‘, du verließest mich.
Ich wachte auf, und ich weinte
Noch lange bitterlich.
Ich hab im Traum geweinet,
Mir träumte, du bliebest mir gut.
Ich wachte auf, und noch immer
Strömt meine Tränenflut.
Heinrich Heine (1797 –1856)
Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
Die hat eien andern erwählt;
Der andre liebt eine andre,
Und hat sich mit dieser vermählt.
Das Mädchen heiratet aus Ärger
Den ersten besten Mann,
Der ihr in den Weg gelaufen;
Der Jüngling ist übel dran.
Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu;
Und wem sie just passieret,
dem bricht das Herz entzwei.
Heinrich Heine (1797 –1856)
Und bist du erst mein ehlich Weib,
Dann bist du zu beneiden.
Dann lebst du in lauter Zeitvertreib,
In lauter Pläsir und Freuden.
Und wenn du schilst und wenn du tobst,
Ich wird es geduldig leiden;
Doch wenn du meine Verse nicht lobst,
Lass ich mich von dir scheiden.
Heinrich Heine (1797 –1856)
Das macht den Menschen glücklich,
Das macht den Menschen matt,
Wenn er drei sehr schöne Geliebte
Und nur zwei Beine hat.
Der einen lauf’ ich des Morgens,
Der andern des Abends nach;
Die Dritte kommt zu mir des Mittags
Wohl unter mein eigenes Dach.
Lebt wohl, ihr drei Geliebten,
Ich hab’ zwei Beine nur,
Ich will in ländlicher Stille
Genießen die schöne Natur.
* (aus dem: Nachlass - 1830/40)
Heinrich Heine (1797 –1856)
Ich halte ihr die Augen zu...
Ich halte ihr die Augen zu
Und küss sie auf den Mund;
Nun lässt sie mich nicht mehr in Ruh,
Sie fragt mich um den Grund.
Von Abend spät bis Morgens früh,
Sie fragt zu jeder Stund:
Was hältst du mir die Augen zu,
Wenn du mir küsst den Mund?
Ich sag ihr nicht, weshalb ichs tu,
Weiß selber nicht den Grund -
Ich halte ihr die Augen zu
Und küss ihr auf den Mund.
(aus: Verschiedene Gedichte - 1832/39)
Heinrich Heine (1797 –1856)
Ein Weib
Sie hatten sich beide so herzlich lieb,
Spitzbübin war sie, er war ein Dieb.
Wenn er Schelmenstreiche machte,
Sie warf sich aufs Bett und lachte.
Der Tag verging in Freud und Lust,
Des Nachts lag sie an seiner Brust.
Als man ins Gefängnis ihn brachte,
Sie stand am Fenster und lachte.
Er ließ ihr sagen: „O komm zu mir,
Ich sehne mich so sehr nach dir,
Ich rufe nach dir, ich schmachte“ -
Sie schüttelt’ das Haupt und lachte.
Um Sechse des Morgens ward er gehenkt.
Um Sieben war er ins Grab gesenkt;
Sie aber schon um Achte
Trank roten Wein und lachte.
(aus: Romanzen - 1839/42)
Luise Hensel(1798 - 1876)
Ich schaue nach den Bergen, von denen mir Hilfe kommt
Ich lieg im dunkeln Thale,
So öd' und schauerlich,
Und sehne nach dem Strahle
Des neuen Morgens mich.
Es hat mit Eis umgeben
Der Winter meine Brust;
Es schwieg in mir das Leben,
Der Liebe reine Lust.
Noch Dem ich mich muss bangen,
Der einzig treu und rein:
Ich kann Ihn nicht erlangen
Und kann nicht ohn' Ihn sein. -
Weht hin, ihr milden Lüfte,
Durch Seiner Locken Zier
Und bringt der süßen Düfte
Von Seinen Bergen mir! -
Ich schau’ empor, die Hügel.
Sie stehn so eng’ um mich;
O, hätt’ ich Taubenflügel,
Mein Freund! ich fände Dich. -
Wann kommst Du, mein Verlangen?
Wann küsset mich Dein Mund?
Wann wird von stetem Bangen
Mein sterbend Herz gesund?
O, möcht’ ich Deine Spuren
In dieser Wüst’ erspähn:
Es würden bald die Fluren
In hellen Blüthen stehn.
O, dürft' ich Licht und Wonne
Aus Deinen Augen ziehn,
Mir brauchte keine Sonne
Am Himmel mehr zu glühn! -
Ohn' Ihn ist Alles trübe,
Das Herz so krank und schwer,
Kein Trost und keine Liebe
Auf weiter Erde mehr.
O, dass die Still' erbebte
Von Seinem süßen Ruf!
O, dass Er mich belebte.
Der mir das Leben schuf!
(1822)
Nikolaus Lenau (1802-1850)
An die Entfernte
I.
Diese Rose pflück ich hier,
In der fremden Ferne;
Liebes Mädchen, dir, ach dir
Brächt ich sie so gerne!
Doch bis ich zu dir mag ziehn
Viele weite Meilen,
Ist die Rose längst dahin,
Denn die Rosen eilen.
Nie soll weiter sich in's Land
Lieb' von Liebe wagen,
Als sich blühend in der Hand
Läßt die Rose tragen;
Oder als die Nachtigall
Halme bringt zum Neste,
Oder als ihr süßer Schall
Wandert mit dem Weste.
II.
Rosen fliehen nicht allein,
Und die Lenzgesänge,
Auch dein Wangenrosenschein
Deine süßen Klänge.
O, daß ich, ein Thor, ein Thor,
Meinen Himmel räumte!
Daß ich einen Blick verlor,
Einen Hauch versäumte!
Rosen wecken Sehnsucht hier,
Dort die Nachtigallen,
Mädchen, und ich möchte dir
In die Arme fallen!
Wilhelm Busch (1832 –1908)
Die Liebe war nicht geringe.
Sie wurden ordentlich blass;
Sie sagten sich tausend Dinge
Und wussten noch immer was.
Sie mussten sich lange quälen.
Doch schließlich kam’s dazu,
Dass sie sich konnten vermählen.
Jetzt haben die Seelen Ruh.
Bei eines Strumpfes Bereitung
Sitzt sie im Morgenhabit;
Er liest in der Kölnischen Zeitung
Und teilt ihr das Nötige mit.
(1874)
Johannes Trojan (1837 – 1915)
Die Werbung auf dem Produktenmarkte
Isidor, genannt der Schöne,
Geht auf dem Productenmarkte,
Auf den Lippen süsses Lächeln,
Holdes Schmachten in den Blicken
Und im Herzen Liebesflammen,
Aber sonst ganz beim Geschäfte.
Spiritus belebt und steigend,
Mehl behauptet, Roggen fest.
Und auf dem Productenmarkte
Sieht er der Geliebten Vater.
Auf ihn zu geht er mit Lächeln,
Redet Vieles, glühend wirbt er.
Und der Alte hört ihn zornig,
Aber sonst ganz beim Geschäfte.
Rüböl ruhig, Weizen fester,
Hafer loco kein Geschäft.
Isidor, genannt der Schöne,
Geht auf dem Productenmarkte.
Seine Blicke sind erloschen
Und sein Hut ist angetrieben.
Innerlich ist er zerschmettert,
Aber sonst ganz beim Geschäfte.
Butter leblos, Leinöl weichend,
Gerste still und Erbsen flau.
*
Leider völlig zu Unrecht fast „vergessen“ - das Internet bietet viele Liebesgedichte von ihm, u.a. in Gunter Hilles
Projekt Gutenberg DE (s. Links):
Max Dauthendey (1867 - 1919)
Du bist mehr als ein Frühling
Der süße Flieder steht nur einmal
im Jahr auf dem Baum,
Deine Brüste blühen mir jahraus,
jahrein, du bist mehr
als ein Frühling.
Meine Wünsche glänzten wie die Sprossen
der Kastanie,
Du zogst sie alle an die Sonne,
wir sitzen in einem Laubdach
Und lachen uns zu im satten Schatten.
Wie einen Baum, den der Blitz überfiel,
hatte mich
die Sehnsucht gezeichnet,
Jetzt wohnen deine Bienen bei mir,
und meine Augen
fließen über von deinem Honig
Max Dauthendey (1867 - 1918)
Am süßen lila Kleefeld vorbei,
Zu den Tannen, den zwei,
Mit der Bank inmitten,
Dort zieht wie ein weicher Flötenlaut
Der sanfte Fjord,
Blau im Schilfgrün ausgeschnitten.
Gib mir die Hand.
Die beiden Tannen stehen so still,
Ich will dir sagen,
Was die Stille rings verschweigen will.
Gib mir die Hand ...
Gib mir in deiner Hand dein Herz.
Else Lasker-Schüler (1869 – 1945)
Ich säume liebentlang
Ich säume liebentlang durchs Morgenlicht,
Längst lebe ich vergessen – im Gedicht.
Du hast es einmal mir gesprochen.
Ich weiß den Anfang –
Weiter weiß ich von mir nicht.
Doch hörte ich mich schluchzen im Gesang.
Es lächelten die Immortellen hold in deinem Angesicht,
Als du im Liebespsalme unserer Melodie
Die Völker tauchtest und erhobest sie.
Else Lasker - Schüler (1869 - 1945)
Ich bin traurig
Deine Küsse dunkeln, auf meinem Mund.
Du hast mich nicht mehr lieb.
Und wie du kamst -!
Blau vor Paradies;
Um deinen süßesten Brunnen
Gaukelte mein Herz.
Nun will ich es schminken,
Wie die Freudenmädchen
Die welke Rose ihrer Lende röten.
Unsere Augen sind halb geschlossen,
Wie sterbende Himmel –
Alt ist der Mond geworden.
Die Nacht wird nicht mehr wach.
Du erinnerst dich meiner kaum.
Wo soll ich mit meinem Herzen hin?
Else Lasker - Schüler (1869 - 1945)
Ein alter Tibetteppich
Deine Seele, die die meine liebet,
Ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet.
Strahl in Strahl, verliebte Farben,
Sterne, die sich himmellang umwarben.
Unsere Füße ruhen auf der Kostbarkeit,
Maschentausendabertausendweit.
Süßer Lamasohn auf Moschuspflanzenthron,
Wie lange küßt dein Mund den meinen wohl
Und Wang die Wange buntgeknüpfte Zeiten schon?
Else Lasker – Schüler (1869 - 1945)
Ein Liebeslied
Komm zu mir in der Nacht - wir schlafen engverschlungen.
Müde bin ich sehr, vom Wachen einsam.
Ein fremder Vogel hat in dunkler Frühe schon gesungen,
Als noch mein Traum mit sich und mir gerungen.
Es öffnen Blumen sich vor allen Quellen
Und färben sich mit deiner Augen Immortellen...
Komm zu mir in der Nacht auf Siebensternenschuhen
Und Liebe eingehüllt spät in mein Zelt.
Es steigen Monde aus verstaubten Himmelstruhen.
Wir wollen wie zwei seltene Tiere liebesruhen
Im hohen Rohre hinter dieser Welt.
Sehr lesenswert:
Else Lasker - Schüler. Eine Biographie. Von Sigrid Bauschinger. Suhrkamp Verlag Tb 3777 – 2006
Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)
Liebes-Lied
Wie soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu anderen Dingen?
Ach gerne möchte ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Spieler hat uns in der Hand?
O süßes Lied.
* (1907)
Joachim Ringelnatz (1883 – 1934)
Ich habe dich so lieb
Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.
Ich habe dir nichts getan.
Nun ist mir traurig zu Mut.
An den Hängen der Eisenbahn
Leuchtet der Ginster so gut.
Vorbei – verjährt –
Doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt,
Ist leise.
Die Zeit entstellt
Alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.
Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache
An einem Sieb.
Ich habe dich so lieb.
Joachim Ringelnatz (1883 – 1934)
Ein männlicher Briefmark erlebte
Was Schönes, bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt.
Da war die Liebe in ihm erweckt.
Er wollte sie wiederküssen,
Da hat er verreisen müssen.
So liebte er sie vergebens.
Das ist Tragik des Lebens!
*
Joachim Ringelnatz (1883 – 1934)
Nachtschwärmen
Die alte Pappel schauert sich neigend,
Als habe das Leben sie müde gemacht.
Ich und mein Lieb – hier ruhen wir schweigend –
Und vor uns wallt die drückende Nacht.
Bis sich zwei schöne Gedanken begegnen, -
Dann löst sich der bleierne Wolkenhang.
Goldene, sprühende Funken regnen
Und füllen die Welt mit lustigem Klang.
Ein trüber Nebel ist uns zerronnen.
Ich lege meine in deine Hand.
Mir ist, als hätt ich dich gewonnen. - -
Und vor uns schimmert ein goldenes Land.
*
Max Herrmann-Neiße (1886 – 1941)
Strenges Liebeslied
Dir gefällt nicht, was ich schreibe,
Mir gefällt nicht, was du lebst.
Daß ich trotzdem bei dir bleibe,
daß du trotzdem mit mir lebst,
hat mit Rosen uns umsponnen
und mit Kälte überschneit.
Leben wir in Sommersonnen
oder in der Winterzeit?
Ach, wir strecken zag die Hände,
dunkelt’s, nacheinander aus.
Plötzlich schrecken Feuerbrände
feindlich von dem Nachbarhaus.
Ach, wir fangen an zu reden,
was der andre überhört.
Stille Stunden haben jeden
schließlich schon einmal betört.
Schwüre lügen. Reden lügen.
Schweigen lügt und Wahrheit schmerzt.
Sich mit Güte zu begnügen,
fühlt sich kaum ein Mensch beherzt.
Was ich träume, was ich treibe
stirbt, wenn du es nicht erhebst. –
Dir gefällt nicht, was ich schreibe.
Mir gefällt nicht, was du lebst.
*
Max Herrmann-Neiße (1886 – 1941)
Kummer der Verzauberung
O Kummer, nicht die Liebe zeigen zu können,
die einer für den anderen in sich trägt,
sich selber nicht die schönste Stunde gönnen,
wenn heiß mein Herz nur für das deine schlägt!
O Kummer, wieder unbeholfen schweigen,
wenn so beredt die Sehnsucht in uns drängt,
das Wunder ihrer Zärtlichkeit zu zeigen,
und doch die Last an jeden Schritt sich hängt.
O Kummer, innerlich vor Lust verbrennen –
Und keiner kommt aus seinem Winter fort!
Wie gerne gäben wir uns zu erkennen,
und finden beide nicht das Zauberwort.
O Kummer, unsre Zeit verrinnen spüren,
und dennoch wird das einzige Glück versäumt,
es blüht so nah mir hinter diesen Türen,
die man zu öffnen feige stets nur träumt!
Und auch im Traume bleibt man auf der Schwelle
als einer, der das letzte niemals wagt.
O Leben: Welle strömt hinab und Welle,
und das Erschütternste bleibt ungesagt.
O Leben, wo uns Götter nie vergönnen,
daß die verlorne Stunde wieder schlägt!
Ob Tote sich die Liebe zeigen können,
die einer für den andern in sich trägt?
* (aus: M.H-N., Einsame Stimme, Berlin 1927)
Ernst Blass (1890 – 1939)
An Gladys
So seltsam bin ich, der die Nacht durchgeht,
Den schwarzen Hut auf meinem Dichterhaupt.
Die Straßen komme ich entlang geweht.
Mit weichem Glücke bin ich ganz belaubt.
Es ist halb eins, das ist ja noch nicht spät ...
Laternen schlummern süß und schneebestaubt.
Ach, wenn jetzt nur kein Weib an mich gerät
Mit Worten, schnöde, roh und unerlaubt!
Die Straßen komme ich entlang geweht,
Die Lichter scheinen sanft aus mir zu saugen,
Was mich vorhin noch von den Menschen trennte;
So seltsam bin ich, der die Nacht durchgeht ...
Freundin, wenn ich jetzt dir begegnen könnte,
Ich bin so sanft, mit meinen blauen Augen!
*
Kurt Tucholsky (1890 – 1935)
DANACH
Es wird nach einem happy end
im Filmjewöhnlich abjeblendt.
Man sieht bloß noch in ihre Lippen
den Helden seinen Schnurrbart stippen —
da hat sie nu den Schentelmen.
Na, un denn — ?
Denn jehn die Beeden brav ins Bett.
Na ja ... diss isja auch janz nett.
A manchmal möcht man doch jern wissn:
Wat tun se, wenn se sich nich kissn?
Die könn ja doch nich imma penn...!
Na, un denn - ?
Denn säuselt im Kamin der Wind.
Denn kricht det junge Paar 'n Kind.
Denn kocht sie Milch. Die Milch looft üba.
Denn macht er Krach. Denn weent sie drüba.
Denn wolln sich bede jänzlich trenn...
Na, un denn —?
Denn is det Kind nich uffn Damm.
Denn bleihm die Beeden doch zesamm.
Denn quäln se sich noch manche Jahre.
Er will noch wat mit blonde Haare:
vorn dof und hinten minorenn... (= minderjährig, „unterbelichtet“)
Na, un denn-?
Denn sind se alt.
Der Olle macht nu ooch bald schlapp.
Vajessen Kuss und Schnurrbartzeit —
Ach, Menschenskind, wie liecht det weit!
Wie der noch scharf uff Muttern war,
det is schon beinah nich mehr wahr!
Der olle Mann denkt so zurück:
wat hat er nu von seinen Jlück?
Die Ehe war zum jrößten Teile
vabrühte Milch un Langeweile.
Und darum wird beim happy end
im Filmjewöhnlich abjeblendt.
Marie Luise Weissmann (1899 – 1929)
Geh nicht vor mir
Geh nicht vor mir in dieses unbesungene,
In dieses dunkle Reich,* das keiner kennt;
Damit dein Name, dieser lang verklungne,
Wenn ich ihn ruf, noch dich mit Namen nennt.
Vertausche nicht dein Angesicht mit jenen
Veränderlichen aus dem fremden Kreis,
Die oft im Traum vorübergehn und denen
Ich keinen Gruß und keinen Wunsch mehr weiß.
Lass mich beim Brot gedenken und beim Wein,
Dass du noch glühst, lass nicht mit Schatten-Speise,
Mit Blut und Mehl verstohlen her dich rufen,
Wie man Geschiedne ruft: Es steigt ihr Schein
Und ihre unsichtbare Sohle leise
Erdwärts herauf die ungeheuren Stufen.
Hans Bender (1919- 2015)
Wie Jupiter
Philemon und Baucis belohnt
Er läßt sie nicht sterben, verwandelt
sie in Bäume mit belaubten Kronen.
Wieder rühmen sie die Dauer ihrer Liebe,
bis die Rinde ihre Münder schließt.
Ich danke Hans Bender sehr herzlich für die Abdruckerlaubnis dieses Vierzeilers -
s. Dichter – Handwerk – Glaube – Herbst – Mensch - veröffentlicht auch in:
AKZENTE. Zeitschrift für Literatur, hrsg. von Michael Krüger Carl Hanser Verlag
Juni 2008 - (Der Autor verstarb am 28. Mai 2015.)
Eva Zeller © (* 1923)
Nach Erster Korinther dreizehn
I
Wenn ich
das Schweigen brechen könnte
und mit Menschen-
und Engelszungen reden
und hätte der Liebe nicht
so würde ich
leeres Stroh dreschen
und viel Lärm machen
um nichts.
II
Und wenn ich wüßte
was auf uns zukommt
und könnte alle Situationen
im Simulator durchspielen
und den Winkel errechnen
unter dem ich umkehren könnte
und ließe mich nicht einfangen
vom Schwerefeld der Liebe
so schösse ich
übers Ziel hinaus
und alle Reserven
nützten mir nichts
III
Und wenn ich
bei dem Versuch zu überleben
mein Damaskus hätte
und fände mich selbst
über alle Zweifel erhaben
auf dem Pulverfaß sitzend
wie in Abrahams Schoß
und hätte die Liebe nicht
als eiserne Ration
hinübergerettet
so fiele ich
auf meinen bergeversetzenden
Glauben herein
IV
Und wenn ich
alle meine Habe den Armen gäbe
daß meine linke Hand nicht wüsste
was die rechte tut
und ich ginge nicht
zur Tagesordnung über
sondern wäre der Spielverderber
und die lebende Fackel
und erklärte mich nicht
solidarisch mit der Liebe
so hätte ich im Ernstfall
Steine statt Brot
und Essigschwämme
für den Durst des Menschen
V
Die Liebe ist lächerlich
Sie reitet auf einem Esel
über ausgebreitete Kleider
Man soll sie hochleben lassen
mit Dornen krönen
und kurzen Prozeß mit ihr machen
Sie sucht um Asyl nach
in den Mündungen unserer Gewehre
eine Klagesache von Weltruf
immer noch schwebt das Verfahren
VI
Sie stellt sich nicht ungebärdig
sondern quer zur Routine der Machthaber
Die Behauptung
sie ließe sich nicht erbittern
hat sie im Selbstversuch
eindrücklich bestätigt
Sie ballt nicht die Faust
Sie steigt nicht herab
Sie hilft sich nicht selbst
Sie dient als Kugelfang
VII
Sie freut sich nicht
über die Ungerechtigkeit
Sie ergreift Partei
für die Ausgebeuteten
Daher ist es lebensgefährlich
sich mit ihr einzulassen
Sie könnte nämlich
Bewußtsein bilden
und den Lauf der Dinge
durchkreuzen
Also üben dir ihre Vermeidung
Tuchfühlung nur mit ihrem ungenähten Rock
dem durch und durch gewirkten
um den wir würfeln
bis zum dreimal krähenden Morgen
VIII
Was ich zuwege bringe
sie ist nicht produzierbar
die Liebe
in keiner Retorte zu züchten
und schon gar nicht
auszumendeln
und aus der Welt zu schaffen
Sie ist ein Skandal
geboren
bezeugt
in Beweisnot geraten
verurteilt
gestorben
begraben
in Strahlung zerfallen
IX
Die Liebe hört nicht auf
mich zu verunsichern
Sie findet Fugen zum Eingreifen
wo ich keine vermute
Sie überredet mich
in der Muttersprache des Menschen
Sie öffnet mir die Augen
und tritt als Sehnerv ein
An dieser Stelle ist der blinde Fleck
Und ich sollte nicht
mit der Wimper zucken?
X
Wir sehen jetzt den Text
nicht fettgedruckt
sondern unleserlich
im Kontext beweglicher Leuchtschrift
der an- und ausgeht
Wir sind in unserm Element
im Zustand der fressenden Larve
und können nur hoffen
bis in die Verpuppung zu kommen
in den durchsichtigen Kokon
in dem wir zu erkennen sind
XI
Nun aber bleibt
Glaube Liebe Hoffnung
diese drei
Aber die Liebe
ist das schwächste
Glied in der Kette
die Stelle
an welcher
der Teufelskreis
bricht
*
Der Autorin für Ihre freundlich rasche Antwort vom 26. 08. 2011 und das Gedicht
aus dem frühsten Band Sage und schreibe, Gedichte, DVA 1971, S. 68 – 78 ganz
lieben Dank.
Dagmar Nick (* 1926)
Gegen Abend
Wo du sein solltest, jetzt,
deine Wärme auf meiner Haut,
wachsen mir Winterkristalle
mitten im Juli. Alle Erfahrung
lehrt mich, daß Wiederholungen
sterblich sind. Was erwarte ich
noch? Den Abend. Das Spektakel
der Stare in ihrem Schlafbaum,
den sie verteidigen gegen mich,
die ich doch nur ihre Nähe will,
insgeheim auch die Möglichkeit,
morgen mit ihnen zu fliegen.
Dagmar Nick (* 1926)
Freiheit
Ja, ich geb dir die Sporen,
meine Schenkel an deinen Flanken.
Diesen Druck ertragen wir
beide. Aber die Trense, die
nehm ich dir aus den Zähnen.
Sie hindert beim Küssen und
du sollst wissen,
wie frei du bist.
*
Der Autorin herzlichen Dank für ihren Brief vom 1. 1. 2017 mit den Gedichten und der Abdruckerlaubnis.
Reiner Kunze (* 1933)
Dein Kopf auf meiner Brust
Mit meinem rechten schlüsselbein
schließen wir uns ein
in den schlaf
Sollte ich’s im traum
verlegen, nehmen wir, uns wachzuschließen,
das linke
Mich nur, mich halte fest,
der schlaf hat schloß und klinke
Meinem Lieblingsautor www.reiner-kunze.com nicht nur abends gedankt für die Abdruckerlaubnis.
Tipp:
Wilhelm Zohner. Instandsetzung des Morgens. Pochoir-Drucke mit 21 doppelseitig gedruckten Liebesgedichten von
Reiner Kunze und 46 meist doppelseitigen farbigen Abbildungen. ABZ-ArtistBookZohner, München 2016
u.a.
DU WEISST ZUR STUNDE IHN AN FERNEM ORT. Du weißt zur stunde ihn an fernem ort (…)
PHILOSOPHIE. Für Elisabeth. Wir ertragen den mittag (…)
NOCH IMMER. Noch immer ist’s/ der horizont der jugendlichen hüfte (…)
EDVARD MUNCH. ROUGE ET NOIR, FARBHOLZSCHNITT, 1898
Wir sind ausgeschlossene/ von geburt (…)
Horst Bingel (1933 – 2008)
Sommer
Weißt du, als der Wind stillstand,
erinnere dich, die Schar der Raben,
die Hasenparade, die eine Nacht
im Sommer, im Mond.
Nein, ich bin es nicht.
Ich bin nicht Postbote im Postamt zwo,
weißt du, der eine Tag im August?
Du duftest nicht mehr nach Heu.
Wollen wir heute abend ins Kino gehen?
Freitag, hast du an Fisch gedacht?
Im nächsten Urlaub fahren wir zwei,
wie damals, nach Mallorca.
*
Horst Bingel (1933 – 2008)
Poesiealbum
Das Schreiben von Gedichten, es kann
doch keine Sünde sein, du trinkst auch
mit einer Schönen nicht immer nur
Wein, schon sitzt im Herzen
der alte, der Wurm
Vergißmeinnicht und
bleibt sitzen auf
einem, einem
Liebesgedicht.
aus: Horst Bingel, Den Schnee besteuern. Gedichte. Hrsg. von Werner Bucher und Virgilio
Masciadri. orte-Verlag, Oberegg und Zürich 2009, S. 72 f
Frau Barbara Bingel ganz herzlichen Dank für die Abdruckerlaubnis.
Albert von Schirnding (* 1935)
Die Landschaft der Liebe hat Berge und Schluchten
verwilderte Wege steinige Buchten
Es rief aus den Wäldern: Gebt euch verloren
Wir stopften uns Büschel von Gras in die Ohren
Geröll schlug uns blutig Wir wollten nicht hören
Jetzt müssen wir fühlen der Liebe abschwören
Entflogen die Schwäne die uns grüßten
Die Landschaft der Liebe hat Meere und Wüsten
*
aus: Albert von Schirnding: Übergabe. Achtzig Gedichte. Ebenhausen b. München 2005, S. 25 -
Langewiesche-Brandt KG
Dem Autor für die spontane Antwort vom 16. 02. 2012 - und sein großzügiges Einverständnis mit
einer Gedichtauswahl für einen Abdruck hier - meinen ganz herzlichen Dank. (Ad)
Sarah Ines ©
bewaffnet mit brennender geduld
fantasien galoppieren wenn wir uns sehn
roter sand wirbelt auf der aschenbahn
ich und du wetten um alles oder nichts
welcher unsrer traber sich wohl ins ziel träumt
unsere primären geschlechtsmerkmale
bleiben schamlos verhüllt hand in hand gehn wir
rimbauds strahlende städte gibt's nicht mehr
make love not war ist veraltet oder nicht
seh aber doch die welt mit andren augen
seit ich mit dir nicht mehr ganz so allein bin
meine zeichen auf dir hinterlassen darf
du glaubst nicht an fliegende rösser sagst du
sind bloß märchen der vergangnen kinderzeit
aber breitest erstaunt deine flügel aus
aus: liebe geht durch die haut. Erotic lyrics & arts, von Sarah Ines und Günter Ludwig,
Storia Verlag, Oktober 2007 www.liebehaut.storia-verlag.de
Der Autorin ganz herzlichen Dank für die Abdruckerlaubnis des Sonetts – August 2007
Andreas Noga (* 1968)
lippenbekenntnis
keine schwalbe dein kuss
machte den sommer
am see auf dem steg
du lachtest sprangst auf
ins wasser
ich fühlte
als würde licht
aufspritzen
*
Andreas Noga (* 1968)
berührungspunkt
viele hände geschüttelt
darunter deine
zu fassen bekommen
später versucht
mich an deine haut
zu erinnern
die du reichtest
als flüchtigen gruß
der unterging
in der geschichte
des abends
Dem Autor Andeas Noga herzlichen Dank für seinen Beitrag aus dem Gedichtband Lücken im Lärm. Gedichte, Silver Horse Edition Marklkofen, 2010, S. 10/ 24
Ich lieb dich..., ich lieb dich nicht ...., ich lieb dich ... Schleim nicht! - Kein copy!
Bertolt Brecht (1898 - 1956) Erinnerung an die Marie A.
(An einem Tag im blauen Mond September/ Still unter einem jungen Pflaumenbaum)
Morgens und abends zu lesen (Der, den ich liebe/ Hat mir gesagt/ Dass er mich braucht)
(Es gibt auch ein paar deftig erotische Gedichte vom „Schlitzohr“ B.B.)
Erich Kästner ( 1899 - 1974) Sachliche Romanze (Als sie einander acht Jahre kannten)
Mascha Kaleko (1912 - 1975) Das Ende vom Lied
(Ich säh dich gern noch einmal, wie vor Jahren)
Weil du nicht da bist (sitze ich und schreibe/A ll meine Einsamkeit auf dies Papier.)
(Diese Frau hätte ich gerne kennen gelernt - Ihr Ton: aufrichtig und ohne Weinerlichkeit - locker gereimt und nie abgekupfertes oder gar
verbrauchtes Sprachmaterial - immer von Herzen und zu Herzen gehend - Lesen gefordert - Unbedingt besorgen und
“Nennen wir es ‘Frühlingslied’ auswendig lernen! (“Lyrisches Stenogrammheft” u.a.m.)
Eine lesenswerte Biografie gibt es von Jutta Rosenkranz, Mascha Kaléko - bei dtv premium 24591, Juli 2007 (2.Auflage)
Erich Fried (1921 –1988) Ohne Dich ( Nicht nichts/ ohne dich/ aber nicht dasselbe)
Reiner Kunze (*1933) Die Liebe (Die liebe/ Ist eine wilde rose in uns)
Rolf Dieter Brinkmann (1940 – 1975) Die Orangensaftmaschine
(dreht sich & Es ist gut, daß der Barmann zuerst auf die nackten Stellen eines/ Mädchens schaut das ein Glas kaltenTees trinkt. )
Geht für schläfrige Schüler auch wohl als Sommergedicht durch, aber nicht für die Grundschüler geeignet, sonst kriegen die Angst
vor schwitzenden Frauen! - Brinkmanns Saftmaschine: ein Gedicht - das ich seit 1975 ungebrochen bewundere, ebenso den
Großstadt- Sommer in: einen jener klassischen …!
Fast besoffene bin ich auch vom gelungenen Vierzeiler Robert Wohllebens (* 1937)
Abends (der Große Himmel/ von Curacao bis Persiko …)
Ulla Hahn (* 1946) Anständiges Sonett (Komm beiß dich fest ich halte nichts/ vom Nippen.)
Hilde Domin (1909 - 2006) Die Liebe (sitzt in der Sonne/ auf einer Mauer und räkelt sich
Christine Eisel Zimmer aufräumen (Den Duft der geschenkten Rose)
aus: Ein Zeichen von dir. Liebesgedichte. Anthhologie: 67Autoren - auch ich - bemühen sich,
der Sache was abzugewinnen. Engelsdorfer Verlag. Dorante Edition. Berlin 2005 Hrsg. Marko Ferst.
Die Produktion wird in deutschen Schlafzimmern oder an geräumigeren Schreibtischen
täglich fortgesetzt - mal mehr, mal weniger erfolgreich.
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