“... Lesen schadet den Augen! ”

 

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                                    Gedichtinterpretation: Barock- Lyrik (Hausaufgabe):

 

                             Daniel Casper von Lohenstein (1635 - 1683):

                                         O BIOS ESTI KOLOKYNTHÄ *

 

              Dis Leben ist ein Kürbis/ die Schal' ist Fleisch und Knochen;

              Die Kerne sind der Geist/ der Wurmstich ist der Tod;

              Des Alters Frühling malt die Blüthe schön und roth/

              Jm Sommer/ wenn der Saft am besten erst sol kochen/

              So wird die gelbe Frucht von Kefern schon bekrochen/

              Die morsche Staude fault/ der Leib wird Asch' und Koth;

              Doch bleibt des Menschen Kern der Geist aus aller Noth/

              Er wird von Wurm' und Tod und Kranckheit nicht gestochen.

              Er selbst veruhrsacht noch: Daß eine neue Frucht/

              Ein unverweßlich Leib aus Moder Asch' und Erde/

              Auf jenen großen Lentz im Himmel wachsen werde.

              Warumb denn: daß mein Freund mit Thränen wieder sucht

              Die itzt entseel'te Frau? die Seel' ist unvergraben/

              So wird er auch den Leib dort schöner wieder haben.

         *           griech.: Das Leben ist ein Kürbis

 

Das Gedicht „ O BIOS ESTI KOLOKYNTHÄ“ (gr.= Das Leben ist ein Kürbis) wurde von Daniel Casper von Lohenstein im 17. Jahrhundert verfasst. Es beschäftigt sich mit dem Lauf des Lebens, welches mit einem Kürbis verglichen wird, sowie mit dem Leben nach dem Tod.

 

Epochentypische Merkmale weisen darauf hin, dass es sich hierbei um ein Gedicht aus dem Barock handelt. Das Reimschema abba abba cdd cee ist kennzeichnend für das Sonett, genauso wie auch das Metrum, ein Alexandriner mit einigen Unregelmäßigkeiten wie z.B. in Zeile eins, wo wir eine überzählige Senkung vorfinden.

Der Autor benutzt eine ausgeprägte Metaphorik, um das Bild des ‚Kürbis als das Leben’ zu veranschaulichen. Metaphern sehen wir z.B. in Verszeile zwei, nämlich „Die Kerne sind der Geist/ der Wurmstich ist der Tod“. Diese verdeutlichen, ebenso wie die Personifikation in Zeile drei, den Vergleich von der Vergänglichkeit des Kürbis mit der Vergänglichkeit des menschlichen Lebens.

In Zeile elf und vierzehn wird der Bezug des Autors zur Bibel klar, da er von dem Leben nach dem Tod spricht. Von Lohenstein schreibt über den „Lentz im Himmel“, was bedeutet, dass er das Leben im Jenseits als einen schönen Neubeginn betrachtet.

Die ersten zwei Zeilen geben eine allgemeine „Umschreibung“ dessen, was im Späteren vertieft wird; so werden die einzelnen Elemente des Lebens, vom Körper über Geist und Tod, als Teil des Kürbis’ dargestellt.

Mit der in Zeile drei gebrauchten Metapher „Des Alters Frühling“ sind die jungen Jahre des Menschen gemeint, in denen er aufblüht und seine Persönlichkeit entwickelt.

Im Sommer ist der Kürbis reif und am genießbarsten, der Mensch ist also in seinen besten Jahren, doch genauso wie die Frucht von Käfern und Würmern bekrochen und angeknabbert wird, befallen den Menschen die ersten Krankheiten und Anzeichen des Alters. Letztendlich verfault der Kürbis im Herbst und auch der menschliche Körper stirbt ab, bzw. wird zur Erde.  Jedoch kann von Lohenstein zur Folge die Seele ebenso wenig wie die Kürbiskerne von Krankheit und Vergänglichkeit befallen werden und ist somit das einzige Überlebende des Menschen. Der Autor geht sogar noch weiter und behauptet in Zeile neun bis elf, dass diese Seele ein neues Leben im Himmel beginnen wird, welches allerdings unvergänglich und ewig sein wird. Hier besteht ein Unterschied zum Kürbis, denn dieser verursacht durch seinen Kern zwar auch eine neue Frucht, welche jedoch genau wie die vorherige vergehen wird, auch wenn der erste Kürbis in jedem Kern weiter existiert. In Zeile zwölf bis vierzehn zieht das lyrische Ich die Schlussfolgerung, dass es nicht nötig ist, einem Verstorbenen hinterher zu weinen, da das, was den Menschen wirklich ausgemacht hat, nämlich die Seele, nicht verloren gegangen ist, sondern weiter lebt und zwar in einem schöneren Körper.

Meine Interpretation verdeutlicht, dass das Gedicht „O BIOS ESTI KOLOKYNTHÄ“ dem Barock zuzuordnen ist, da es einerseits viele äußere Merkmale dieser Epoche aufweist und sich andererseits mit den typischen Hauptthemen des Barock, der Vergänglichkeit des Menschen, dem Tod und auch der Hoffnung auf ein besseres Leben im Himmel auseinandersetzt. Somit bestätigt sich auch meine Interpretationshypothese aus der Einleitung.      

                                                                            GBE Grundkurs  2000/2001  - Juliane Leinker ©

 

 

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