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Sargreste und Leichentuch Adolf Kolpings in der Kölner MinoritenkircheGottfried Keller (1819 – 90)AbendliedAugen, meine lieben Fensterlein Gebt mir schon so lange holden Schein, Lasset freundlich Bild um Bild herein: Einmal werdet ihr verdunkelt sein!
Fallen einst die müden Lider zu, Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh; Tastend streift sie ab die Wanderschuh, Legt sich auch in ihre finstre Truh.
Noch zwei Fünklein sieht sie glimmend stehn, Wie zwei Sternlein innerlich zu sehn, Bis sie schwanken und dann auch vergehn, Wie von eines Falters Flügelwehn.
Doch noch wandl ich auf dem Abendfeld, Nur dem sinkenden Gestirn gesellt; Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, Von dem goldenen Überfluss der Welt! (1872) Detlev on Liliencron (1844 – 1909) Acherontisches Frösteln Schon nascht der Staar die rote Vogelbeere, Zum Erntekranze juchheiten die Geigen, Und warte nur, bald nimmt der Herbst die Scheere Und schneidet sich die Blätter von den Zweigen, Dann ängstet in den Wäldern eine Leere, Durch kahle Äste wird ein Fluß sich zeigen, Der schläfrig an mein Ufer schickt die Fähre, Die mich hinüberholt ins große Schweigen. (1893 ?)
Augustin Wibbelt (1862 – 1947) De Daut
De Daut geiht ümmer dör de Welt, He hät so viell to dohen, Geiht met de Seiß in’t riepe Feld Un geiht up sachten Schohen.
He geiht des Wiäges still un swigg, He kümt di in de Möte: Du häörs em nich un sühs em nich Un löpps em vör de Föte.
Enmol – de Stunn is em bekannt – Dann bliff he vör di staohen Un nimp di liese bi de Hand, Un du moß met em gaohen. * Augustin Wibbelt, Mäten-Gaitlink. Gedichte in münsterländischer Mundart, Heckmann Verlag 7 1991 , S. 53 Naober Daut: In de Rausentied (An’n stillen warmen Summeraobend gonk) Drei Dokters (s. PDF-Version) Augustin Wibbelt (1862 – 1947) Up’n Kiärkhoff Up de stillen Griäwer Slöpp de Summernacht, Und at ewige Lampe Höllt alleene Wacht.
Dör das hauge Fenster Glitt de liese Schien Üöwer all de Griäwer – Sall’t en Siägen sein? Augustin Wibbelt, Pastraoten-Gaoren, S. 97
Max Dauthendey (1867 - 1918) O Grille, sing O Grille, sing Die Nacht ist lang. Ich weiß nicht, ob ich leben darf Bis an das End von deinem Sang.
Die Fenster stehen aufgemacht. Ich weiß nicht, ob ich schauen darf Bis an das End von dieser Nacht.
O Grille, sing, sing unbedacht, Die Lust geht hin, Und Leid erwacht. Und Lust im Leid, - Mehr bringt sie nicht, die lange Nacht. Rainer Maria Rilke (1875 – 1926) Morgue Da liegen sie bereit, als ob es gälte, nachträglich eine Handlung zu erfinden, die miteinander und mit dieser Kälte sie zu versöhnen weiß und zu verbinden;
denn das ist alles noch wie ohne Schluss. Was für ein Name hätte in den Taschen sich finden sollen? An dem Überdruss um ihren Mund hat man herumgewaschen:
er ging nicht ab; er wurde nur ganz rein. Die Bärte stehen, noch ein wenig härter, doch ordentlicher im Geschmack der Wärter,
nur um die Gaffenden nicht anzuwidern. Die Augen haben hinter ihren Lidern Sich umgewandt und schauen jetzt hinein. (1906)
Rainer Maria Rilke ( 1875 - 1926)Der Tod der Geliebten Er wusste nur vom Tod was alle wissen dass er uns nimmt und in das Stumme stößt Als aber sie, nicht von ihm fortgerissen, nein, leis aus seinen Augen ausgelöst.
hinüberglitt zu unbekannten Schatten, und als er fühlte, dass sie drüben nun wie einen Mond ihr Märchenlächeln hatten und ihre Weise wohlzutun:
da wurden ihm die Toten so bekannt, als wäre er durch sie mit einem jeden ganz nah verwandt; er ließ die andern reden
und glaubte nicht und nannte jenes Land das gutgelegene, das immersüße Und tastete es ab für ihre Füße. (1907) Oskar Loerke (1884 – 1941) Tote Tage
Tage, wo der lange Regenbesen Geisterhaft im Garten scheuert, zischt, Und die Welt, was sie gehabt, gewesen, Nebelnd zur Vergangenheit verwischt,
Tage, wo man dumpf von Schrank zu Schranke Wandert und in leere Fächer sieht, Aufhorcht, wie der Laut im Schlosse kranke, Und um seinethalb den Schlüssel zieht,
Und den Schlüssel dreht und drückt am Barte, Wärmt, vergißt in schlaff geschlossner Faust, Wann ein Feuer durch des Ofens Scharte Unverständlich wie das goldne Leben saust.
* Oskar Loerke (1884 – 1941) Stundenschlag
Zwei schlanke Frauen trägt das plumpe Kupferpendel, die Stirn und kühle Wange zueinander neigen. Ihr dünnes Kleid fällt bauschig, mattblau wie Lavendel, Vom Mund glüht Bitternis nach ausgetanztem Reigen.
(aus: Oskar Loerke, Wanderschaft, 1911)
Georg Trakl (1887 – 1914)Nähe des Todes 2. Fassung O der Abend, der in die finsteren Dörfer der Kindheit geht. Der Weiher unter den Weiden Füllt sich mit den verpesteten Seufzern der Schwermut.
O der Wald, der leise die braunen Augen senkt, Da aus des Einsamen knöchernen Händen Der Purpur seiner verzückten Tage hinsinkt.
O die Nähe des Todes. Lass uns beten. In dieser Nacht lösen auf lauen Kissen Vergilbt von Weihrauch sich der Liebenden schmächtige Glieder. 1912/1913
Georg Trakl (1887 – 1914) Amen Verwestes gleitend durch die morsche Stube; Schatten an gelben Tapeten; in dunklen Spiegeln wölbt Sich unserer Hände elfenbeinerne Traurigkeit.
Braune Perlen rinnen durch die erstorbenen Finger. In der Stille Tun sich eines Engels blaue Mohnaugen auf.
Blau ist auch der Abend; Die Stunde unseres Absterbens, Azraels Schatten, Der ein braunes Gärtchen verdunkelt. (1913)
Alfred Lichtenstein (1889 - 1914)Der Entleibte Weiß lieg ich Auf einem Rest von einem Rummelplatz Zwischen zackigen Bauten – Brennende Blume ... leuchtender See...
Zehen und Hände Streben ins Leere. Sehnsucht zerreißt den weinenden Körper. Über mich gleitet der kleine Mond.
Augen greifen Weich in tiefe Welt, Hüten versunken Wandernde Sterne. (1912)
Baudelaire (1821 - 1867) Üb.: Stefan George, 1918 Mir deucht ich hätte vor mir tausend jahr.
Kein Schreibtisch überfüllt mit einer schaar Von versen liedern liebesbriefen akten Und haaren schwer in rechnungen gepackten Mehr heimlichkeiten als mein hirn bewacht. Ein riesenbau ists wo in tiefem schacht Mehr tote als im massengrabe rollen.
Ich bin ein kirchhof dem die sterne grollen Wo — innre qualen — lange würmer ziehn • Sie raffen meine liebsten toten hin.
Ich bin ein alt gemach wo rosen schmachten - Mit einem Wirrwarr von verjährten trachten. An offnen fläschchens dufte laben sich Ein kläglich bildnis ein verblasster stich .. Nichts dehnt sich wie der lahmen tage stocken Wenn unter schneeiger jahre schweren flocken Der missmut der aus dumpfer müde rinnt Die grösse der Unsterblichkeit gewinnt.
Nun bist du weiter nichts - o staub mit leben - Als ein granit mit schreckenshauch umgeben In tiefer wüsten nebeldunst versenkt. Vergessner alter sfinx dess niemand denkt • Nirgends vermerkt und dessen wilde laune Beim sonnenuntergang sein lied nur raune. *
Ernst Blass (1890 - 1939) Vormittag Den grünen Rasen sprengt ein guter Mann. Der zeigt den Kindern seinen Regenbogen, Der in dem Strahle auftaucht dann und wann. Und die Elektrische ist fortgezogen
Und rollt ganz ferne. Und die Sonne knallt Herunter auf den singenden Asphalt. Du gehst in Schatten, ernsthaft, für und für. Die Lindenbäume sind sehr gut zu dir.
Im Schatten setzt du dich auf eine Bank; Die ist schon morsch; - auch du bist etwas krank – Du tastest heiter; daß ihr nicht ein Bein birst.
Und fühlst auf deinem Herzen deine Uhr, Und träumst von einer schimmernden Figur Und dieses auch: daß du einst nicht mehr sein wirst. * (1912)
Kurt Tucholsky (1890 – 1935) Letzte Fahrt An meinem Todestag – ich wird ihn nicht erleben – Da soll es mittags rote Grütze geben, mit einer fetten, weißen Sahneschicht . . . Von wegen: Leibgericht.
Mein Kind, der Ludolf, bohrt sich kleine Dinger Aus seiner Nase – niemand haut ihm auf die Finger. Er strahlt, als einziger, im Trauerhaus. Und ich lieg da und denk: „Ach, polk dich aus!“
Dann tragen Männer mich vors Haus hinunter. Nun fasst der Karlchen die Blondine unter, die mir zuletzt noch dies und jenes lieh . . . Sie findet: Trauer kleidet sie.
Der Zug ruckt an. Und alle Damen, die jemals, wenn was fehlte, zu mir kamen: vollzählig sind sie heut noch einmal da . . . Und vorne rollt Papa.
Da fährt die erste, die ich damals ohne Die leiseste Erfahrung küsste: die Matrone Sitzt schlicht im Fond, mit kleinem Trauerhut. Altmodisch war sie – aber sie war gut.
Und Lotte! Lottchen mit dem kleinen Jungen! Briefträger jetzt! Wie ist mir der gelungen? Ich sah ihn nie. Doch wo er immer schritt: mein Postscheck ging durch sechzehn Jahre mit.
Auf rotem samtnen Kissen, im Spaliere, da tragen feierlich zwei Reichswehroffiziere die Orden durch die ganze Stadt, die mir mein Kaiser einst verliehen hat.
Und hinterm Sarg mit seinen Silberputten, da schreiten zwoundzwanzig Nutten — sie schluchzen innig und mit viel System. Ich war zuletzt als Kunde sehr bequem...
Das Ganze halt! Jetzt wird es dionysisch! Nun singt ein Chor: Ich lächle metaphysisch. Wie wird die schwarzgestrichne Kiste groß! Ich schweige tief. Und bin mich endlich los. (1922) * Kurt Tucholsky (1890 – 1935) BERLINER HERBST Für Paul Graetz Denn, so um'm September rum, denn kriejn se wacklije Beene — die Fliejen nämlich. Denn rummeln se so und machen sich janz kleene. Nee — fliejn wolln se nich mehr.
Wenn se schon so ankomm, 'n bisken benaut. . . denn krabbeln se so anne Scheihm; oda se summ noch 'n bisken laut, aba mehrschtens lassen ses bleihm . . . Nee - fliejn wolln se nicht mehr.
Wenn se denn kriechen, falln se beinah um. Un denn wem se nochmal heita, denn rappeln se sich ooch nochmal hoch, im denn jehts noch 'n Stiksken weita — Aba fliejn... fliejn wolln die nich mehr.
Die andan von Somma sind nu ooch nich mehr da. Na, nu wissen se — nu is zu Ende. Manche, mit so jelbe Eia an Bauch, die brumm een so über de Hände . . . A richtich fliejn wolln se nich mehr.
Na, und denn finnste se morjens frieh, da liejen se denn so hinta de Fenstern rum. Denn sind se dot. Und wir jehn denn ooch in’ n Winta. Wie alt bist du eijentlich -?
- «Ick? Achtunfürzich.» - «Kommst heut ahmt mit, nach unsan Lokal -?“ - «Allemal.» *
Albert Hiemer (1907 – 1990) Beerdigung (Zwölf Regenschirme/ sehen auf den Sarg)
Hans Bender (1919 - 2015) Altersphotographie
Das bin nicht ich. Einer, der dich nicht mag, hat das Negativ vertauscht.
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Hans Bender (1919 - 2015) Vergleich
So ist Altsein, so steil, so zäh, so klamm. Als zöge man seinen Schlitten nicht durch Schnee, sondern Schlamm.
* aus: Hans Bender, Auf meine Art. Gedichte in vier Zeilen, Hanser Verlag 2012, S. 32 und 28 ; Ich erhielt die Publikationserlaubnis am 12. 02. 2012. Hans Bender verstarb am 28. Mai 2015.) * Kurt Marti (1921 - 2016)betrauern wir diesen mann nicht weil er gestorben ist betrauern wir diesen mann weil er niemals wagte glücklich zu sein
betrauern wir diesen mann der nichts war als arbeit und pfllicht betrauern wir diesen mann weil er immer getan hat was man von ihm verlangte
betrauern wir diesen mann der nie mit der faust auf den tisch schlug betrauern wir diesen mann weil er nie auf das urteil anderer pfiff und einfach tat was ihm paßte
betrauern wir diesen mann der fehlerfrei funktionierte betrauern wir diesen mann weil er streit und frauen vermied und heute von allen gerühmt wird
betrauern wir diesen mann nicht weil er gestorben ist betrauern wir diesen mann
weil er war wie auch wir sind – betrauern wir uns *
aus: Kurt Marti, Leichenreden. Sammlung Luchterhand Darmstadt und Neuwied, 1976, S. 31 Pfarrer Kurt Marti nach seiner schweren Erkrankung ein sehr herzliches Dankeschön für die Abdruckerlaubnis (August 2007) und Gottes Segen. - Der Autor verstarb am 11.02.2017; RIP. *
Dagmar Nick (* 1926) Letzte Bilder
Die Gewitterwand und der Stau der vertrauten Bilder dahinter samt den Schamanen mit ihren abgenutzten Beschwörungsformeln. Kein Innehalten im Näherrücken des Undurchschaubaren. Der erwartete Scherwind, der dich beiseite fegt wie ein Papier, das du beschriften wolltest.
Es war schön hier. Ich werde vergessen.
* Dagmar Nick (* 1926) Rialtobrücke. Carne vale
Die Denk-Schrift exakt hinter der Larve, kein Jota zur Seite gerückt, eine Festung für den Verrat. Auch das Lächeln darunter ist eine Fälschung. Die Rechnung geht auf. Die Verführung. Bis
unversehens deine Sterblichkeit zuschlägt, ein Fausthieb ins schirmende Bild, und dir der Nächste die Maske abnimmt, das hübsche Stück Stoff für ein Album: das Alphabet der Liebesbesessenheit jetzt lesbar wie der Ruf nach dem Tod.
Er kam auf Bestellung. * Der Autorin Dagmar Nick herzlich gedankt für diese und weitere Gedichte - 22. Februar 2010
Maximilian Zander (1929 - 2016) Aus Herrn Antrobus' Tagebuch
Wir sind einen Kalendertag weitergekommen. Es gab keine Gasexplosion. Genügend Unglück stand in der Zeitung. Wir blieben verschont.
Unsere internen Katastrophen verursachen kein Geräusch. Wir werden nicht auffällig. Wie es aussieht, wird hier kurzfristig keiner zur Axt greifen.
Manches macht uns nicht mehr so glücklich wie früher. Wir essen Gemüse; rauchen nicht; sind fleißig; gehen den Leuten aus dem Weg; glauben nicht allzuviel; und lieben einander.
Aber das ist zu wenig. Kein Zweifel, es wird zunehmend schwieriger, von jemandem verläßlich zu wissen: Der hier lebt noch, oder: Der ist schon tot.
Manchmal, nachts (es geht schnell vorbei) entsetzt uns die Einsicht, daß wir allein sind in diesem riesigen Sarkophag - Wir gehen ins Haus und stellen den Fernseher an.
* Maximilian Zander (1929- 2016) Und gelegentlich abreisen
Wo früher wie der Großvater sagt der Sitz der Seele war auch schon mal gebrüllt/geschluchzt wurde jetzt dieser second hand shop mit allem was Leichen lieben
Das ist die Lage.
Modern vermodern aber die Asche nicht auf den Teppich - fallen lassen und gelegentlich abreisen im selbstgeblasenen bißchen unruhigen Wind
Das war ein Vorschlag.
Mitsingen im Chor und nie den Einsatz verpassen Wieviel Zeit bleibt dir noch?
Das ist immer die Frage. * aus: Maximilian Zander, Antrobus’ Tagebuch. Gedichte. Edition YE Bd. 7, Sistig /Eifel 2004 Dem Autor einen herzlichen Dank für die Abdruckerlaubnis, Mai 2010. Maximilian Zander verstarb am 21.11.2016; RIP.
Peter Härtling © (1933 - 2017) Nachhall 1. Jetzt, nach den Einbrüchen, dem gestockten Atem, richten sich die Sätze auf - nur verstehe ich sie nicht mehr: Lettern oder Latten. Ich versuche Schritte, denen ich Richtung geben kann: Hinauf und hinüber. Was ist die Grenze? Aus Übermut sage ich gegen die Wand: Eine Amsel singt, was sie gelernt hat, zwischen Regen und Schnee. Durchsichtiger werden die Aussichten. Ich habe nichts von ihnen. Leichentücher aus Glas gesponnen. Ehe es Abend wird. Ehe es Morgen wird. Lebe ich den Tag ab. Und versiegle meine Träume. Geh! sage ich mir und schaue mir entgegen. Wieviel weiß ich? Wieviele Wörter fielen aus der Wand?
aus: Peter Härtling, kommen – gehen – bleiben. Gedichte. Radius Verlag Stuttgart 2004 , S. 65; darin: Kp VI Nachhall 1. – 9. Am 09.05.2011 erhielt ich in einem freundlichen Brief die Abdruckerlaubnis. Der Autor verstarb am 10. 07. 2017. R.I.P.
Albert von Schirnding (* 1935) Carpe diem
Eine Tür fällt ins Schloß wenn ich erwache Schon wieder dem Tag in die Falle gegangen Draußen Schreckschüsse kommender Tage
aus: Albert von Schirnding: Übergabe. Achtzig Gedichte. Ebenhausen b. München 2005, S. 56 - Langewiesche-Brandt KG
Albert von Schirnding (* 1935) Futur exakt
Ich werde geatmet haben und werde vergangen sein Ich werde umfangen dich haben Du wirst verlassen sein
Du wirst getrauert haben Der Schmerz wird verwunden sein Die meiner gedachten – alle werden verschwunden sein
Ich bin und muß doch wissen: Ich werde gewesen sein für immer dir entrissen Mein Name wird ausgelöscht sein
aus: Albert von Schirnding, War ich da? Gedichte, Edition Toni Pongratz, Hauzenberg 2010, S. 13 Dem Autor für die spontane Antwort vom 16. 02. 2012 - und sein großzügiges Einverständnis mit einer Gedichtauswahl für einen Abdruck hier - meinen ganz herzlichen Dank. (Ad)
Doris Runge (* 1943) noch einmal
schönheit löst sich vom grund der klaffende mund die spur im verharschten schnee dann willig meinen schleier und vergessen mit schatten sprechen umgehen mit gespenstern *
Doris Runge (* 1943) alter friedhof in güstrow
der weg aus steinen der geborstene ring der reigen erloschener namen
ein beugen ein neigen ich setze den schritt wer führt ich spring
von stein zu stein * (aus: Doris Runge, wintergrün. Gedichte, DVA Stuttgart 1991, S. 15/ 63 Der Autorin für Ihren freundlichen Rückruf vom 03. 04. 2017 und die erbetene Abdruckerlaubnis ganz herzlichen Dank.
Theo Breuer (* 1956) montage 3 – steinig geschliffen
auf knochen schlafen sandige ewigkeiten im harten bachbett
rückgestauter fluß der soldat + das mädchen glückgeklauter kuß
glasiges röcheln gärtner blumen schauen sich im schwarzen wasser
* Theo Breuer (* 1956) zeige deine wunde
grauer filzhut das erkennungszeichen was wollt der mensch dort wohl verstecken war der am end zum bloßen kopf bedecken nein! fragen können den nicht mehr erreichen
denn der ist tot – ganz schnell mal ausgeblasen wurd die kerze eines erdenlebens war der so müd des lötens sich erhebens ja! zu viel hatz ist tod auch dieses hasen
der fetten bürgern filzne haken schlug schlichte stoffe ihrer welt fremd gemacht (was feinen freunden vorkommt wie betrug)
ich seh den noch wie der die goldne krone trug da hat man den auch dornig ausgelacht (wem hat der seinen filzhut wohl vermacht)
* aus: Theo Breuer, Land Stadt Flucht. Gedichte, Edition YE Sistig/ Eifel 2002 Dem Autor für die Abdruckerlaubnis seines Sonetts herzlichen Dank; Mai 2010
Andreas Knapp (*1958) die letzten dinge
nur ich ganz ohne dich das ist die hölle
der schmerz dich nicht genug geliebt zu haben das ist mein fegefeuer
du und alles in dir ist unser himmel * (aus: Andreas Knapp, Brennender als Feuer. Geistliche Gedichte. Regensburg 2010 (5) Echter Verlag, S. 30) Ich danke dem Autor Andreas Knapp für seine aufmunternde briefliche Antwort vom 24. 10. 2014 und dem Echter Verlag für die Abdruckerlaubnis, um die ich Bruder Andreas nach seiner schönen Lesung am 13. Oktober im Dom Forum („Die Erdichtung Gottes. Wie wir von Gott reden können“) gebeten hatte.
Kein Copyright: Regina Ullmann (1884 – 1961) Und stirbt sie auch Gottfried Benn (1886 – 1956) Kleine Aster (Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt) Requiem ( Auf jedem Tisch zwei. Männer und Weiber) Schöne Jugend (s. Motivkreis Mensch) Günter Eich (1907 – 1972) Ende eines Sommers (Wer möchte leben ohne den Trost der Bäume) Mascha Kaleko (1907 - 1975) Memento (Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang) Hermann Lenz (1913 - 1998) Das letzte Tor (Das Frühlicht im Fenster.) Alte Villa (Auf den Schläfen lila Adern und Altersflecken) Weiterlebendes Buch (Sonderbar, wenn dich ein Buch überlebt) Christine Lavant (1915 - 73) Wieder brach er bei dem Nachbarn ein Hans Bender (1919 - 2015) Befund (Hier die Narben) Senilità (Es fällt ihm schwer) Beim Frisör (Das sind keine Federn) Paul Celan (1920 - 1970) Chanson einer Dame im Schatten (Wenn die Schweigsame kommt und die Tulpen köpft) Der Sand aus den Urnen (Schimmelgrün ist das Haus des Vergessens.) Inge Müller (1925 – 1966) Mond Neumond deine Sichel Ingeborg Bachmann (1926 – 1973) Die große Fracht (s. Motivkreis Sommer) Elisabeth Borchers (1926 - 2013) eia wasser regnet schlaf (eia wasser regnet schlaf) abschied (das licht starb/ da starb auch die finsternis) immer ein anderes (und du willst auferstehen lebenslang) Christian Saalberg (1926 - 2006) Komm, großer Wind lege ein Lächeln auf mein Grab http://www.christian-saalberg.de/ Jürgen Becker (* 1932) Wunsch zu verschwinden (Spaziergänge; das Freimachen) Später alles :/ die fortschreitende Ausdehnung Das Thema der Vergänglichkeit (Ein Kretin im Westerwald, Hut im Nacken) Reiner Kunze (* 1933) Selbstmord (Die letzte aller Türen) Rainer Malkowski (1939 - 2003) Die Herkunft der Uhr (Die Uhr kommt von der Sonne) Gestürzte Linde (Meine Hand auf dem alten Leib) *
Erich Adler © Schwerer SchrittKurz den Dom zu betretendas sei ihr zur Zeit nicht möglich nach dem Tod des Sohnes
Und während die eine der Frauen in die Stille des Altarraums tritt vor das Kreuz trennen sich für ein paar Augenblicke die Wege beider zwischen Gebet und Warten
Am Abend sehe ich Bilder aus einem namhaften Zirkus
- Ein Clown dessen Verlust in Zeitungen stand - sehe ihn lachen und trauern und tanzen mit dem Papierschirm auf imaginärem Seil.
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