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Motivkreis Wein
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)
Trinklied
Seht den jungen Bacchus an!
Seht doch, wie er trinken kann!
Seht, die Augen, die Gebärden
Sollen unsre Muster werden,
Wenn die Gläser, voll von Wein,
Aug und Herz und Geist erfreun.
Treue Brüder, laßt euch raten!
Tut doch, was die Alten taten,
Gebt Verdiensten ihren Lohn,
Krönet diesen Bacchussohn,
Daß die Tugend auf der Erde,
Lieblich und erkennet werde!
Den die Weisheit sichtbar schmückt,
Der sich doch zum Bacchus schic
Den man sieht sein Amt verwalte
Und des Abends Picknick halten,
Der noch nie bestrafet ist,
Weil man ihn dabei vermißt;
Der noch keinen Trunk vermiede
Der sich selbst dazu beschieden,
Den kein voller Römer schreckt,
Dem der Wein am besten schmec
Der verdient zum rechten Lohne
Von den Brüdern eine Krone.
Brüder, seht den Bruder an,
Wie der Bruder trinken kann!
Unter allen Bacchussöhnen
uß man ihn zum König krönen;
Brüder, ja, er muß es sein:
Seht, er schenkt schon wieder ein.
*
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)
Bacchus und Cythere
Soll ich trinken oder küssen ?
Hier winkt Bacchus, dort Cythere.
Beide winken, beide lächeln,
Bacchus mit gesetzten Mienen
Und Cythere mit verliebten.
Bacchus zeigt mir seine Reben;
Seht, sie sinken, schwer von Trauben!
Aber seht nur, dort im Schatten,
Dort im Schatten, unter Reben,
Liegt ein Mädchen lang gestrecket!
Seht, es schläft, es lächelt schlafend,
Und es lächelte Cythere
Nicht so reizend, als sie winkte.
O wie süß mag es nicht schlummern!
O wie reizend liegt das Mädchen!
Um den weißen regen Busen
Hangen schwarze reife Trauben,
Und es glänzen um den Locken,
Um den rabenschwarzen Locken,
Goldne Blumen in den Schatten.
Weingott, winke nur nicht länger;
Denn ich muss erst, bei dem Made
Unter deinen Trauben schlummern.
Johann Nicolaus Götz (1721 – 1781)
Auf den Burgunderwein
Der war gewiss ein frommer Mann,
Den Jupiter so liebgewann,
Dass er ihm diesen Weinstock schenkte,
Ihn selbst in seinen Garten senkte
Und voll so schöner Trauben hängte.
Der Luna Horn muss ihn betaut,
Apollo huldreich angeschaut,
Vertumnus' Spate selbst umgraben, (Vertumnus: röm. Herbstgott)
Und für den Staren und den Raben (für: vor)
Der Speer Priaps beschützet haben. (Priapus, Hüter der Gärten und Weinberge,verjagt die Vögel)
Das war gewiss Dianens Hand,
Die mit dem Ulmbaum ihn verband
Und ihren Segen auf ihn legte,
Weil er sie zu verbergen pflegte,
Wenn sie den schönen Jüngling hegte. (= Endymion)
Eh Peleus 1 in der ersten Nacht
Der Braut den Gürtel losgemacht,
So fehlte bei dem hohen Feste
Zu der Bewirtung seiner Gäste
Der süße Nektartrank, das Beste.
Da sagte Zeus zur Götterschar:
Wir trinken Nektar Jahr für Jahr,
Seitdem wir in den Wolken leben:
Doch heute sollen irdsche Reben
Unsterblichen ein Labsal geben.
Er schüttelt sein allmächtig Haupt.
Gleich steigt der edle Stock, belaubt,
Mit schlanken Armen in die Lüfte,
Verbreitet holde Frucht und Düfte,
Dass er den Ruhm des Meisters stifte.
Gehabt euch wohl, schrie Cypria, (Beiname der Venus)
Du Nektar, du Ambrosia;
Euch so vermissen, ist gewonnen.
Es lebe Zeus, der nach der Sonnen
Kein wunderschöner Werk begonnen.
Sie streckt die Finger lüstern hin,
Ein Rebenkind zu sich zu ziehn,
Und ritzt den Lilienarm im Klauben.
Seit diesem purpern sich die Trauben
Als wie der helle Hals der Tauben.
1 (Thetis, eine Tochter des Nereus, wurde mit Peleus vermählt; die Götter hatten die Heirat arrangiert
Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832)
In Jena weiß man viele Sachen,
nur nicht aus Essig Wein zu machen.
Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832)
IM HERBST 1775
(späterer Titel 1789 Schriften: Herbstgefühl)
Fetter grüne, du Laub,
Das Rebengeländer,
Hier mein Fenster herauf.
Gedrängter quillet,
Zwillingsbeeren, und reifet
Schneller und glänzend voller.
Euch brütet der Mutter Sonne
Scheideblick, euch umsäuselt
Des holden Himmels
Fruchtende Fülle.
Euch kühlet des Monds
Freundlicher Zauberhauch,
Und euch betauen, ach,
Aus diesen Augen
Der ewig belebenden Liebe
Voll schwellende Tränen.
*
Hölderlin (1770 – 1843)
Wenn nämlich der Rebe Saft...
Wenn nämlich der Rebe Saft,
Das milde Gewächs, suchet Schatten
Und die Traube wachset unter dem kühlen
Gewölbe der Blätter,
Den Männern eine Stärke,
Wohl aber duftend den Jungfraun,
Und Bienen,
Wenn sie, vom Wohlgeruche
Des Frühlings trunken, der Geist
Der Sonne rühret, irren ihr nach
Die Getriebenen, wenn aber
Ein Strahl brennt, kehren sie
Mit Gesumm, vielahnend
darob
die Eiche rauschet,
aus: Hymnische Entwürfe)
*
Justinus Kerner (1786 – 1862)
Wein
Tränen weint die arme Rebe,
und der Lenz brach doch heran.
Arme, hat der schlimme Winter,
dir ein Leid wohl angetan?
Nicht vor Schmerzen, spricht die Rebe,
wein ich, nein, vor Lust bewegt,
weil ich fühle, wie die Blüte
sich in meinem Innern regt.
Tränen weinet eine Mutter,
die auch Wonnetränen sind,
die zum ersten Male fühlet
in sich ihrer Liebe Kind.
*
Justinus Kerner (1786 – 1862)
Wanderlied
Wohlauf noch getrunken!
Den funkelnden Wein!
Ade nun ihr Lieben!
Geschieden muss sein.
Ade nun, ihr Berge,
Du väterlich Haus!
Es treibt in die Ferne
mich mächtig hinaus.
Die Sonne, sie bleibet
Am Himmel nicht stehn,
es treibt sie, durch Länder
und Meere zu geh.
Die Woge nicht haftet
Am einsamen Strand,
die Stürme, sie brausen
mit Macht durch das Land.
Mit eilenden Wolken
Der Vogel dort zieht,
und singt in der Ferne
ein heimatlich Lied.
So teeibt es den Burschen
Durch Wälder und Feld,
zu gleichen der Mutter,
der wandernden Welt.
Da grüßen ihn Vögel,
bekannt üerm Meer,
sie flogen von Fluren
der Heimat hierher;
da duften die Blumen
vertraulich um ihn,
sie trieben vom Lande
die Lüfte dahin.
Die Vögel, die kennen
sein väterlich Haus;
die Blumen einst pflanzt’ ewr
der Liebe zum Strauß;
und Liebe, die folgt ihm,
sie geht ihm zur Hand:
so wird ihm zur Heimat
das ferneste Land.
*
Theodor Körner (1791 – 1813)
Trinklied
Kommt, Brüder, trinket froh mit mir!
Seht, wie die Becher schäumen!
Bei vollen Gläsern wollen wir
Ein Stündchen schön verträumen.
Das Auge flammt, die Wange glüht,
In kühnen Tönen rauscht das Lied;
Schon wirkt der Götterwein,
Doch was auch tief im Herzen wacht,
Das will ich jetzt begrüßen.
Dem Liebchen sei dies Glas gebracht,
Der Einzigen, der Süßen!
Das höchste Glück für Menschenbrust,
Das ist der Liebe Götterlust;
Sie trägt euch himmelan.
Ein Herz, im Kampf und Streit bewährt
Bei strengem Schicksalswalten,
Ein freies Herz ist Goldes wert,
Das müsst ihr fest erhalten.
Vergänglich ist des Lebens Glück.
Drum pflückt in jedem Augenblick
Euch einen Strauß!
Jetzt sind die Gläser alle leer;
Füllt sie noch einmal wieder!
Es wogt im Herzen hoch und her;
Ja, wir sind alle Brüder,
Von einer Flamme angefacht!
Dem deutschen Volke sei’s gebracht,
Auf dass es glücklich sei
*
Heinrich Heine ( 1797 – 1856)
Die Flaschen sind leer, das Frühstück war gut,
Die Dämchen sind rosig erhitzet.
Sie lüften das Mieder mit Übermut,
Ich glaube, sie sind bespitzet.
Die Schulter, wie weiß, die Brüstchen wie nett!
Mein Herz erbebet vor Schrecken.
Nun werfen sie lachend sich aufs Bett
Und hüllen sich ein mit den Decken.
Sie ziehen nun gar die Gardinen vor,
Und schnarchen am End’ um die Wette.
Da steh’ ich im Zimmer, ein einsamer Tor,
betrachte verlegen das Bette.
*
Johannes Trojan (1837 – 1915)
Der böse Wein
Das ist der Trank, gemacht aus Beeren,
Die sonst wir als Compot verzehren,
Der Busch-, der Strauch-, der Blaubeer-Wein,
Bei dem muss man nach Hilfe schrein.
Das ist der Wein von der Sierra,
Die hoch sich hinzieht an der Werra,
Wenn er nicht wuchs auf dem Plateau
Der Uckermark, frei, frisch und froh.
Das ist der Wein im Höllenrachen
Gekeltert aus der Milch von Drachen,
Mit Zusatz von Petroleum –
Das ist der Wein, der um und um
Den Magen stülpt mit ungeheuren
Und niemals sonst erhörten Säuren.
*
Johannes Trojan (1837 – 1915)
Der unzufriedene Zecher
Der Kutscher ist so sauer,
Mir gar nit mehr gefällt;
Der Bessre auf die Dauer
Geht mir zu stark ins Geld.
Zu theuer ist der Wein,
Die Schoppen sind zu klein!
Ganz anders muss es werden,
Soll Deutschland einig sein.
Es häufen sich Beschwerden,
Dass schlecht wird das Getränk.
Was soll daraus noch werden?
Mir graut, wenn ichs bedenk.
Wie soll die Freiheit blühn,
Macht uns der Wein nicht kühn?
Ich habs dem deutschen Kanzler
Geschrieben nach Varzin.
Reichstag und Landtag tagen
Doch sicherlich genug;
Sie scheinen nicht zu fragen
Nach dem, was recht und klug.
Sonst war' ihr Erstes das,
Zu sorgen für das Nass:
Dass billger werd' und besser
Der Wein in Fass und Glas.
Ich hab im Weltgetümmel
Verfehlet den Beruf,
Dieweil dass mich der Himmel
Zum Millionär erschuf.
Den Durst hab ich dazu,
Dass ich viel Geld verthu;
Das Geld nur fehlt mir leider,
Dass lägst mir keine Ruh!
Auch macht mir Kummer Eines
Und ist nicht wohlgethan:
Die werth sind besten Weines,
Dass die den Wein nicht han.
Es wächst manch guter Wein
Am Rhein und auch am Main:
Den trinken schlechte Leute,
Das macht mir grosso Pein.
Wohl einen Börsenfürsten
Möcht ich zum Freunde han;
Bei meinen starken Dürsten,
Wie wär mir wohlgethan'.
Dess freute sich mein Blut,
Das gäb mir frischen Muth:
Mit dem wollt' ich verschlemmen
Sein Hab und all sein Gut.
Das gäb' ein scharfes Zechen
Im Wirthshaus frank und frei;
Das gäb' ein hitzig Stechen
In trunkhaftem Turnei.
Verzehrt würd Stück vor Stück,
Was ihm bescheert sein Glück;
Nur ein Lokomotive
Behielten wir zurück.
Drauf schwängen mein Geselle
und ich uns keck empor
und führen drauf zur Hölle
Grad mitten durch das Thor.
Das gäb 'neu tüchtgen Stoß,
Der Jubel wäre groß.
Hurrah, ihr schwarzen Schufte,
Jetzt gehts hier unten los!
Rudolf Baumbach (1840 – 1905)
Lacrimae Christi
Es war in alten Zeiten
ein schwäbischer Fiedelmann,
der kräftig strich die Saiten
und lustige Mären spann.
Mit Friederich dem Andern
ins Welschland zog er ein,
und kostete im Wandern
von einem jeden Wein.
Und als auf seinem Zuge
er nach Neapel kam,
quoll ihm aus irdnem Kruge
ein Tropfen wundersam.
Er trank mit durst'gem Munde
und rief den Wirt herbei:
«Viellieber, gebt mir Kunde,
was für ein Wein das sei.
Er rinnt mir altem Knaben
wie Feuer durchs Gebein;
von allen Gottesgaben
muss das die beste sein.»
Der dicke Kellermeister
gab ihm die Auskunft gern:
«Lacrimae Christi heißt er,
denn Tränen sind's des Herrn.»
Da überkam ein Trauern
den fremden Fiedelmann;
er dachte an den Sauern,
der in der Heimat rann.
Und betend sank er nieder,
den Blick emporgewandt:
„Herr, weinst du einmal wieder,
so wein im Schwabenland!“
Friedrich Nietzsche (1844 – 1900)
An Hafis
Trinkspruch: Frage eines Wassertrinkers
Die Schenke, die du dir gebaut,
ist größer als jedes Haus,
die Tränke, die du drin gebraut,
die trinkt die Welt nicht aus.
Der Vogel, der einst Phönix war,
der wohnt bei dir zu Gast,
die Maus, die einen Berg gebar,
die — bist du selber fast!
Bist alles und keins, bist Schenke und Wein,
bist Phönix, Berg und Maus,
fällst ewiglich in dich hinein,
fliegst ewig aus dir hinaus—
bist aller Höhen Versunkenheit,
bist aller Tiefen Schein,
bist aller Trunknen Trunkenheit
— wozu, wozu dir — Wein ?
*
Detlev von Liliencron (1844 – 1909)
Im Biwack
Das Feuer knistert und die Becher klirren,
Dass in die Arme sank der Nacht die Welt;
Gedanken, ohne Steg und Steuer, irren,
Bis in die Palmenbucht der Anker fällt.
Manch Wort und Witz, die hin und gegen schwirren,
Verweht der Wind, begräbt das stille Feld.
Ein letzter Trunk, und schon in Traumeswirren
Tönt mir ein ferner Postenruf ins Zelt.
*
Baudelaire (1821 – 1867) – Umdichtungen Stefan George (1868 – 1933)
aus dem Zyklus: Die Blumen des Bösen (1918)
CXXVIII
DIE SEELE DES WEINES
Des weines geist begann im fass zu singen:
Mensch teurer Ausgestossener dir soll
Durch meinen engen kerker durch erklingen
Ein lied von licht und bruderliebe voll.
Ich weiss: am sengendheissen bergeshange
Bei schweiss und mühe nur gedeih ich recht
Da meine seele ich nur so empfange
Doch bin ich niemals undankbar und schlecht.
Und dies bereitet mir die grösste labe
Wenn eines arbeit-matten mund mich hält
Sein heisser schlund wird mir zum süssen grabe
Das mehr als kalte keller mir gefällt.
Du hörst den sonntagsang aus frohem schwärme?
Nun kehrt die hoffnung prickelnd in mich ein:
Du stülpst die ärmel stützest beide arme
Du wirst mich preisen und zufrieden sein.
Ich mache deines weibes augen heiter
Und deinem sohne leih ich frische kraft
ich bin für diesen zarten lebensstreiter
Das öl das fechtern die gewandtheit schafft.
Und du erhältst von diesem pflanzenseime
Das Gott der ewige sämann niedergiesst
Damit in deiner brust die dichtung keime
Die wie ein seltner baum zum himmel spriesst.
*
CXXIX
DER WEIN DER BETTLER
Oft kommt bei einer laterne rotem glanze
Beim rasseln des glases der flamme zuckendem tanze
In alter vorstadt irrgängen dumpf und feucht
Darin in stürmischer gährung die menschheit keucht:
Ein bettler des weges der mit dem kopfe schüttelt
Der wie ein dichter an mauern rennt und rüttelt
Er nimmt auf die spähenden Wächter keine acht
Ergiesst sein herz in eingebildeter macht
Erhabne gesetze gebend und eide schwörend
Die bösen vernichtend die schuldlosen opfer erhörend
Der himmel ist über ihm wie ein throndach geschmückt
Er ist von dem glanz seiner eigenen würden entzückt —
Ja diese leute von häuslichen sorgen gepeinigt
Vom alter gemartert und von der arbeit gesteinigt
Entkräftet unter dem haufen von trümmern geneigt
Ein wüstes gewühl das der riesigen Stadt entsteigt:
Sie kehren mit ihren gefährten in kriegen gemagert
Zurück und ein fassgeruch über den ziehenden lagert
Wie fetzen von alten fahnen hängt ihr bart -
Die banner die blumengeschmückten bogen der fahrt
Erheben sich vor ihnen in festlichem jubel
Sie bringen in glänzendem und betäubendem trubel
Von sonne von waffen von pauken und stimmengebraus
Dem liebetrunkenen volke die ehre nach haus . .
So rollt durch die völker die schwelger in heitren genüssen
Der wein sein gold dahin in blendenden flüssen.
Er singt in der kehle des menschen was er schon vollbracht
Und mit seinen gaben erwirbt er sich fürstliche macht -
Den gleichmut zu wiegen und zu verscheuchen den kummer
Erfand der Herr von reue erfasst den sichlummer
Für all die verwünschten die nah an den gräbern sind -
Der mensch fand den wein der sonne geheiligtes kind.
CXXXI
DER WEIN DES EINSAMEN
Der sonderbare blick der leichten frauen
Der auf uns gleitet wie das weisse licht
Des mondes auf bewegter wasserschicht
Will er im bade seine schönheit schauen
Der lezte thaler an dem spielertisch
Ein frecher kuss der hageren Adeline
Erschlaffenden gesang der violine
Der wie der menschheit fernes qualgezisch -
Mehr als dies alles schätz ich tiefe flasche
Den starken balsam den ich aus dir nasche
Und der des frommen dichters müdheit bannt.
Du giebst ihm hoffnung liebe jugendkraft
Und stolz dies erbteil aller bettlerschaft
Der uns zu beiden macht und gottverwandt
CXXXII
DER WEIN DER LIEBENDEN
Prächtig ist heute die weite
Stränge und sporen beiseite
Reiten wir auf dem wein
In den feeenhimmel hinein!
Engel für ewige dauer
Leidend im fieberschauer
Durch des morgens blauen kristall
Fort in das leuchtende all!
Wir lehnen uns weich auf den flügel
Des windes der eilt ohne zügel.
Beide voll gleicher lust
Lass schwester uns brust an brust
Fliehn ohne rast und stand
In meiner träume land!
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Oskar Loerke (1884 – 1941)
Der Wein der Nacht
Die fallbe Stadt genießt des Nachtweins Letzte.
Es fliegt Getürm wie Vogelschlaf so leicht,
Haus weht zu Hause, säumt den Saum der Plätze:
Nachtfaltersegel, die ihr Ziel erreicht.
Daß Glocke, Huf und Rad wie Regen klingen,
Tupft sie ein Baum lind auf, ein grüner Schwamm.
Der Markt mit seinen lauten Silberlingen
Verrauscht schon über meiner Bank am Stamm.
Doch ich bin Trinker und bin Trunk der Trauer,
Die alle Namen spricht! – Wie wohnt die Zeit
So sicher in viel Namen ohne Dauer,
Als wären Berge für die Ewigkeit!
Wie jäh sich warme Tiere scharren, trunken
Von Schicksals Ungeduld, zur Todesfahrt,
Entwirbeln meine Leben zu den Sternenfunken
Und welken schon, bei ihnen aufgebahrt.
Noch nährt der Wein der Nacht das Weltgeleuchte,
Bestrahlt mich dort mit Geist und Rausch der Wein.
Dann sickert in die Häuser seine Feuchte,
Dann schleicht die Trauer über trockne Schwellen ein.
(aus: Oskar Loerke, Die heimliche Stadt, 1921)
Georg Trakl (1887 – 1914)
Ballade
Ein Narre schrieb drei Zeichen in Sand,
Eine bleiche Magd da vor ihm stand.
Laut sang, o sang das Meer.
Sie hielt einen Becher in der Hand, '
Der schimmerte bis auf zum Rand,
Wie Blut so rot und schwer.
Kein Wort ward gesprochen - die Sonne sch-w
Da nahm der Narre aus ihrer Hand
Den Becher und trank ihn leer.
Da löschte sein Licht in ihrer Hand,
Der Wind verwehte drei Zeichen im Sand -
Laut sang, o sang das Meer.
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Georg Trakl (1887 – 1914)
Abend in Lans
2. Fassung
Wanderschaft durch dämmernden Sommer
An Bündeln vergilbten Korns vorbei. Unter getünchten Bogen,
Wo die Schwalbe aus und ein flog, tranken wir feurigen Wein.
Schön: o Schwermut und purpurnes Lachen.
Abend und die dunklen Düfte des Grüns
Kühlen mit Schauern die glühende Stirne uns.
Silberne Wasser rinnen über die Stufen des Walds,
Die Nacht und sprachlos ein vergessenes Leben.
Freund; die belaubten Stege ins Dorf.
Ob nüchtern, ob trunken - kein Copyright:
Hermann Hesse (1877 – 1962)
Falter im Wein
(In meinen Becher mit Wein ist ein Falter geflogen)
Paul Celan (1920 – 1970)
Bei Wein und Verlorenheit, bei/ beider Neige ( 1959)
Franz Josef Degenhardt (1931 - 2011)
Ich möchte Weintrinker sein/ mit Kumpanen abends vor der Sonne sitzen
Robert Gernhardt (1937 – 2006)
Wein und Zeit (Warm preist ihr mir den alten Wein)
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