Karl Heinrich Hiemer ©
Türklopfer
Ich weiß, die Hand wird frieren
auf des Metalles kaltem Glanz.
In seinem reichen Zieren
sprüht stolz ein Strahlenkranz.
Nun muss die Hand sich heben -
und zögernd fasst sie zu.
Ein harter Schlag zerreißt das Weben
um dieses Hauses tiefer Ruh.
*
Karl Heinrich Hiemer ©
Die Wahnsinnigen
Der eine musiziert,
die andern tanzen,
weil es der Wahnsinn will.
Sie gehen rund mit trunkenen Gebärden
und dann und wann steht einer still
und möchte anders werden
und horcht auf einen Ton,
den seine Brust gebiert.
Der eine musiziert,
die andern tanzen,
weil es der Wahnsinn will.
Und dann und wann steht einer still
und geht dann fort von den Gefährten
zum Tor, wo sich im Grün der Gärten
das müde Spiel verliert.
Der eine musiziert, die andern tanzen...
Karl Heinrich Hiemer ©
Keramik-Maske
Gebogen in des Hauptes Neigen
senkt sich dein Schauen zu mir her.
Du könntest vieles tief verschweigen -
Doch dieses schweigst du nimmermehr:
Dass sich dein Leben längst verloren
zu einem namenlosen Sein.
So schauen die, die groß geboren
und ferne sind von jedem Schein.
Aus denen alles schön gegoren,
wie aus der reifen Traube Wein.
Karl Heinrich Hiemer ©
Vergessener Krug
Zuweilen tut der Wind ein Blatt hinein,
damit nicht seine Leere
für ihn zu bitter wäre -
Er denkt noch an den Wein.
Zuweilen kommt der gute Mond,
füllt ihn mit Silber bis zum Rand.
Er weiß, dass er im Leuchten stand,
als er noch in dem Haus gewohnt.
Zuweilen ruht ein Falter aus
auf seinem grauen Leib.
Vergessen hat ihn Mann und Weib
in jenem Haus.
Karl Heinrich Hiemer ©
Randstadtstraße
O, du ödes Gähnen,
alle Tore starren.
Regen fällt in Strähnen,
ferne rollt ein Karren.
Ferne rollt ein Karren,
alle Tore starren
mich so böse an -
und ich bin ein kranker Mann.
Karl Heinrich Hiemer ©
Allerseelen
In nasser Erde sinken schwer
die Gräber Stück um Stück.
Die Sonne irrt so fern umher
und findet nicht zurück.
Der graue Nebel weht so still
der Welt ein schweres Tuch.
Und niemand weiß, was Gott nun will
in Gnade oder Fluch.
Karl Heinrich Hiemer ©
Der Tod
Am Brunnen mit dem Wasserspiel
steht oft der Tod in seiner müden Würde
und möchte weinen unter seiner Bürde,
dass eine Träne nur ins Fließen fiel.
Er möchte nur mit einem Atemzug
im Winde ganz verloren leben -
nur einmal irgend etwas geben -
die eine Träne wäre schon genug.
Karl Heinrich Hiemer ©
Im Kirchgarten
Im alten Kirchengarten.
- Ein Zeiger, der die Stunden weiß -
Und alle Gräber warten.
Und alle Hügel warten stumm
In ihres Kreuzes Zeichen.
Der Tod geht mit dem Schatten um
Und hütet seine Leichen.
Die Leichen unten in dem Sand
Seh`n nicht den Schatten wandern,
Sie horchen nur an schwarzer Wand
Von einem Tag zum andern ...