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  Lesen schadet den Augen

 

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In memoriam Albert Hiemer (1907 - 1990)

Seite im Aufbau mit Gedichten aus den beiden Bänden

 

Schaufenster (Leeden Verlag, Tecklenburg 1983 )

  Lyrische Tage (Leeden Verlag, Tecklenburg 1989 )

und Gedichten aus dem Nachlass

                           
Geschwister Hiemers Grab_21.10.2012

         Foto vom Grab des Autors und seiner Schwester - 21. 10. 2012 Friedhof Haste in Osnabrück; Erich Adler ©

 

                                                                  Albert Hiemer ©

                  Tod der Schwester

                  Feuchte Erde,

                  nun frißt du

                  meine Schwester,

                  läßt Wasser in ihre

                  Augen fließen,

                  daß sie weinen muß.

                   

                  Zu Hause

                  die Fenster stauben zu,

                  im Schranke

                  säuert die weiße Milch.

                            *

                      (aus dem Nachlass, 1985)

Albrecht Hiemer u Luise Birkemeier_21.10.2012

 

                             Ich danke den beiden Neffen des Autors - Hans Birkemeyer  und Martin Hiemer -   ganz herzlich

                 für die Abdruckerlaubnis, die zur Sichtung anvertrauten Gedichte aus dem Nachlass und somit die Möglichkeit,

                                                         an diesen wunderbaren Osnabrücker Lyriker  zu erinnern.

                                                                      (Oktober 2012)

 

„Albert Hiemer kommt in seinen Gedichten mit geringsten Ausdrucksmitteln aus, um uns die alltäglichsten Dinge wie durch ein Fenster schauen und scheinbar banale Vorgänge neu erkennen zu lassen. Ohne große Worte und ausgefallene Metaphern erhellt er die Hintergründe und macht Bedeutungsgehalte sichtbar. Die Zeit scheint für einen Augenblick stehen zu bleiben, wenn wir durch seine poetischen Gegenentwürfe zur prosaischen Wirklichkeit erfahren, was sich hinter dem äußeren Schein verbirgt . . .“

(Günter Klonz in seinem Vorwort zum Lyrikband Schaufenster, Tecklenburg 1983)

I

     

    Albert Hiemer ©

    Straßencafé

    Passanten

    setzen sich an Weiß.

    Die Serviererin

    bedient einen Sonnenschirm.

    Ein Cola-Mund geht fort.

                                                        (Schaufenster, S. 13)

 

    Albert Hiemer ©

    Ladenschluß

    Verkäuferinnen

    bringen verbrauchtes Licht

    aus den Türen mit.

    Preisschilder

    hören auf zu sprechen.

    Die Schaufensterpuppen

     lassen ihre Arme fallen.

                                         (Schaufenster, S.18)

 

Albert Hiemer ©

Hotelzimmer

 

Zimmer

mit leerem Schrank.

Ein Kleiderbügel

spreizt seine Schultern.

Für drei Tage

leihe ich ihm

mein Reisejackett.

(S. 49)

 

Albert Hiemer ©

Schlafzimmer

Ein Spiegelbild                                         entkleidet sich.

Ein Frauenarm                                          sucht die Lampe                                        mit ersten Träumen.

Orientalische Zeichen                               schieben sich                                              unter nackte Füße.

                                                        ( S. 65)

            

Albert Hiemer ©

Das Hemd

Mein Hemd

hängt nachts am Bett.

 

Es pulst 

letzte Herzschläge aus.

 

Spray in der Achsel 

duftet bis zwölf Uhr.

 

Ein Knopf 

wird noch

vom Knopfloch gewürgt.

 

Ich kann ihm

nicht mehr helfen.

                           ( Schaufenster,  S. 66)

 

     

    Albert Hiemer  ©

    Klassenzimmer

    Die Kinder                                                             atmen Kreideluft.

    Der Lehrer                                                            läßt eine                                                              falsche Antwort hinaus.

    Über einem Zeigefinger                          klingelt es.

                                                       (Schaufenster S. 27)

 

     

    Albert Hiemer©

    Schule

    Ein Tafelschwarz

    segelt durch die Korridore.

     

    Die Kinder  

    haben Zungen aus weißer Kreide.

     

    Ein Logarithmus

    sticht dich in den Nacken.

     

    An einem Haken

    welkt eine blaue Mütze.

                                                     (S. 26)

     

    Albert Hiemer©

                                                                       Gymnasium

    Aus dem dritten Fenster

    kommen junge Vokabeln,  

    columba, columbae.

     

    Über dem Schulhof

     werden sie Tauben.

     

    Ein Studienrat 

    bringt in seiner Tasche

    Gleichungen mit.

     

    Die Sonne

    scheint die Geschichte

    Griechenlands

    auf die Wände.

                                 (Schaufenster, S. 30)

      

    Albert Hiemer©

    Der Fensterputzer

    Ein dunkler Schatten,                          der Glas liebt.

    Das gelbe Tuch                               zerreibt Spiegelbilder.

    Manchmal segelt eine Wolke     durch seine Hand.

    In den Zimmern                                 sieht er verlassene Papageien.

     

                                                      (S. 38)

         Albert Hiemer ©

    Bahnsteig

     Nur eine Frau auf der Bank

     die Züge vorbeifahren läßt.

      Im Koffe

      steckt gelbes Heimweh.

                                          (Schaufenster, S. 46)

 

     

    Albert Hiemer  ©

    Frau im Auto

    Blaues Kleid

    und weiße Zigarette.

    Im Polster hinten  

    blüht das Kind.

    Es ruft den Namen einer Schule,

    die am Park liegt.

                                              (S.25)                                     

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Albert Hiemer: Lyrische Tage, Tecklenburg 1989

     

    Albert Hiemer ©

    Todesfall

     

    Die Kerze

    stirbt neben dem Bett.

     

    Auf dem Tisch

    der Entwurf einer Anzeige.

     

    Der Schrank

    erhält ein schwarzes Kleid.

     

                                     (Lyrische Tage, S. 62)

     

    Albert Hiemer ©

    Beerdigung

    Zwölf Regenschirme

    sehen auf den Sarg.

     

    Die Finger des Priesters

    bemühen sich, blaß zu sein.

     

    Aus dem Gebetbuch

    kommt Atem zurück.

     

    Ein lateinisches Wort

    wird naß.

     

    (Lyrische Tage, S. 67)

 

 

     

    Albert Hiemer ©

    Das Zimmer

     

    Mitten darin

    der Tisch.

     

    Mitten darauf

    die Rose.

     

    Sechs Servietten:

    Weiße Hände.

 

                         (Lyrische Tage, S. 51)

 

    Albert Hiemer ©

    Leeres Zimmer (III)

     

    Deine Seele

    ist nicht mehr hier.

     

    Nur

    weiße Wände.

     

    Beim Hinaustragen der Rose

    fiel ein Blatt ab.

     

    Es bleibt

    lange liegen.

                                         (Lyrische Tage, S. 46)

 

 

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                                                    Gedichte aus dem Nachlass

     Die Texte sind hier aus elf vom Autor chronologisch geordneten Din A 5-Mappen ausgewählt:

                                                    aus   N 1 ( 1935 - 1962)

 

        Albert Hiemer © (1907 – 1990)

        Niederländischer Meister (1937)

         

        und weht und blaut durch Fensterhöhn.

        Das Kleid der Magd ist rot und schön,

        und der Fasan hängt bunt und schwer.

         

        Auf Kacheln steht die Wiederkehr

        Von Segelschiffen voller Wein:

        Ein Hündlein spielt auf Fliesenstein,

        der schimmert und der glänzt so sehr.

         

        Der Dämmergang geht gartenein

        In Licht und Kraut und Abendwind.

        Und vor den hellen Blumenreihn

        Steht klein und still ein Holzschuhkind.

                                           *

 

 

 

aus  N 2 ( 1963 - 1975)

              Albert Hiemer © (1907 – 1990)

              Turnstunde

               

              Drei weiße Blusen

              schwärmen aus.

               

              Himmelfahrt

              an den Ringen.

               

              Die Stimme  der Lehrerin

              melodeit durch die Schatten

              der stählernen Stangen.

               

              Ein Mädchen

              zieht Kreidestriche.

              Das lederne Pferd

              wird in ihren Bann

              gezogen.

                   *

                Albert Hiemer © (1907 – 1990)

                Klassenphotographie

                 

                Sechsmal dreizehn

                in den Gesichtern.

                 

                Ein Rechenbuchblatt

                blieb stehen.

                 

                Der Lehrer

                verbirgt seinen Kreidedaumen.

                 

                Das Dreieck auf der Tafel

                wird nicht mehr berechnet.

               

              Albert Hiemer © (1907 – 1990)

              Verkehrsunfall

              Ein Polizist

              zieht Kreidestriche

              um Glas, das sich

              verletzt hat.

               

              Er schreibt

              von einem Gesicht

              den Vorfall ab.

               

              Die Luft

              über der Stelle

              ist blaß geworden.

                        *

              Albert Hiemer  © (1907 – 1990)

              Straßencafé

               

              Passanten

              setzen sich an Weiß.

               

              Die Serviererin

              bedient einen Sonnenschirm.

               

              Ein Cola-Mund

              geht fort.

                  *

 

     

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Beim Fotografen

    Frauen, die vorgestern

    ihr Lächeln

    einem Foto überließen,

    wollen es zurückholen.

    Der Fotograf

    zieht es aus schwarzen Kuverts.

    Ein Objektiv

    erinnert sich.

      *               (N 3  S. 23)

           

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Frau im Kaufhaus

    Rolltreppen

    bringen sie dorthin,

    wo die Kleider leben.

    Sie reicht ihnen

    die Hände

    und fragt nach ihrer Herkunft.

    Eines bittet sie,

    mitzugehen.

          *               (N 3  S. 55)

 

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Frau mit Regenschirm

     

    Sie vertändelt das Wetter

    mit Gespanntem.

    Der schräge Regen

    nimmt ihr Parfüm.

    Ein Tropfen am Finger

    wird zum Ring.

                  (N 3  S. 38)

 

      Albert Hiemer © (1907 – 1990)

      Das Schaufenster

       

      Hinter Glas

      leben Kleider.

      Die Versuchung eines Schals

      ist beige.

      Frauen

      zeigen ihren Spiegelbildern

      den schwebenden Hut.

 

              (N 3  S. 52)

               aus: N 3 (1976 - 1979)

 

 

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Arzthaus

     

    Nachtanrufe

    sind an die Fenster geschrieben.

     

    In den Zimmern

    Druck von Stethoskopen.

     

    Eine Gardine

    leidet an Anämie.

          *

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Dunkles Zimmer

     

    Nur eine helle Hand

    liegt auf dem Schoß.

     

    Die Stimme

    aus der linken Ecke

    kommt und geht zur Tür.

     

    Ein Schwarz geht auf

    und ein Schwarz

    schließt sich wieder.

                *

    aus: N 5 (1982)

 

     

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Der Brief

    Dunkle Blume

    des Stempels.

     

    Das Papier

    leuchtet gegen elf Uhr.

     

    Die Stunde,

    Briefe zu lesen.

     

          *

     

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Dachfenster

     

    Schräges Glas,

    von roten Ziegeln eingespannt.

     

    Dahinter ein Buch

    mit vielen Seiten.

     

    Ein Vogel fliegt vorbei

    und spiegelt sich.

     

    aus N 7  (1984)

 

 

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Bahnhofshalle

     

    Die Frau im Kiosk

    wünscht meiner Zeitung

    eine gute Reise.

     

    Ich stelle den Koffer

    unter eine Plakatsonne.

     

    Mein Rücken

    gewöhnt sich an Sizilien.

          *

     

    Albert Hiemer  © (1907 – 1990)

    Bahnsteig

    Der Wind

    kommt voraus.

     

    Er liest

    den Stationsnamen.

     

    Der Uhrzeiger

    stimmt.

        *

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Nachtzug

     

    Träume

    hängen aus den Gesichtern.

     

    Stationslichter

    fahren hindurch.

     

    Am Herzen

    ruht die Fahrkarte.

     

            *

        aus N 10 (1987 - 1989)

 

     

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Bahnsteig

     

    Unter dem gußeisernen Himmel

    die Stadt in Großbuchstaben.

     

    Ein Taschentuch

    ruft Weißes.

             *

     

 

           In memoriam Albert Hiemer

> PDF A. Hiemer 09/ 2014 (100 Gedichte -Version)

> Dinggedichte  > Herbst  > Sommer  > Vanitas mundi

> Albert Hiemer - Vita    

> Karl H. Hiemer

> Johann Spratte

 

 

Albert Hiemer hat  aus den Jahren 1935 bis 1990 586 Gedichte in 11 Mappen  chronologisch geordnet hinterlassen. Hinzu kommen noch 291 Gedichte unsortiert, z.T. mit minimalen Varianten der  Gedichte aus den Mappen oder den bereits veröffentlicht vorliegenden Texten.

             März 2013, Erich Adler

 

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    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Stadt im Regen

     

    Asphalt wird silbern

    und schwimmt unter den Autos.

     

    Rücklichter

    fließen mit.

     

    Die Seitenstraße

    wölbt Regenschirme.

     

    Alle Blicke

    sind aus Wasser.

           *

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    November

    Regenschirme

    bringen Wasser in die Kirche.

     

    Neben jeden Beter

    setzt sich

    eine arme Seele.

     

    Das Kerzenlicht

    steht niedrig über dem

    Horizont des Altars.

           *                          (N4  S. 5)

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Die Taufe

     

    Der Engel an der Wand

    singt eine Melodie

    zum träufelnden Wasser.

     

    Im weißen Bündel

    leiser Laut und  Atem

    für Gott.

     

    Der Pate

    sagt  Worte

    in das Licht der Kerze hinein.

     

            (N 4  S. 2)

    Albert Hiemer  © (1907 – 1990)

    Juli

     

    Eine Gießkanne

    mit lüsternen Blumen.

     

    Der Rasen

    kriecht in den

    Schatten des Baumes.

     

    Meine Haustür

    trägt eine Sonnenbrille.

                     *                

                           aus: N 4 ( 1980- 1981)*

     

 

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Kirchenraum

    Stigmata von Kerzen

    in der Luft.

    Quadern

    schmilzen.

    Die goldene Hand Gottes

    schwebt herab

    und segnet.

     

               *

     

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Alte Figur im Kreuzgang

     

    Einsam

    in Steinen

    Alle Adern

    sind Risse.

    Die Quadern warten

    auf einen Tropfen Blut.

    Vielleicht am Freitag.

            *

     

     

    aus: N 6 (1983)

     

 

     

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Gärtner im Park

     

    Seine Hände

    brennen von Rosen.

     

    Die weißen Bänke

    pflegt er

    mit der Milch der Nymphen.

     

    Abends

    schließt er

    die silbernen Tore.

          *

     

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

    Park

     

    Auf Rasen

    stehen Menschen

    die den Gärtner kennen.

     

    Frauen auf weißen Bänken

    sehen zu.

     

    Wenn eine Wolke

    sich nicht bewegte,

    wäre es eine Ansichtskarte.

 

      aus: N 8 (1985)

 

       

      Albert Hiemer © (1907 – 1990)

      Sanatorium

       

      Nervenkrankheiten

      sind weiß.

       

      Die Türen

      sagen es.

       

      Der Arzt

      trägt ein wirres Gespräch

      über die Fliesen.

       

      Im ersten Stock

      das Echo.

                       *

      Albert Hiemer © (1907 – 1990)

      Sanatorium am Wald

       

      Weiße Fensterkreuze

      behüten Schreie.

       

      Die Vögel

      sollen sie  nicht hören.

       

      Ein Herr

      geht auf den Eingang zu.

       

      Er bringt Funktionsstörungen

      des Gehirns mit.

            *

      aus: N 9 (1986)

 

 

      Albert Hiemer © (1907 – 1990)

      November

      Autos lassen im Nebel

      ihre hellen Taster spielen.

       

      Sie beleuchten Frauen

      in weinroten Mänteln.

       

      Genießt schnell

      die Erscheinungen.

                 *

       

      Albert Hiemer © (1907 – 1990)

      Regen

      In den Korridoren

      werden die Schirme unruhig.

       

      Ein Klavier

      spielt Regenlieder.

       

      Du kannst morgen

      Pilze suchen.

      Vielleicht

      ist auch

      ein giftiger dabei.

            * 

             aus  N 11 (vermutlich 1990)

 

Vita  Albert Hiemer

 

Albert Hiemer wurde am 21.Oktober 1907 als ältester Sohn eines selbständigen Tischlermeisters in Osnabrück geboren.

 

Nach dem Schulabschluss durchlief er eine Lehre in einer Großhandlung, die ihn zum Kaufmann ausbildete. Er wechselte später zu einer großen Bank, bei der er bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges tätig war.

 

Das Ende dieses Krieges bedeutete für ihn - wie für so viele andere - Zäsur: Umzug nach Zerstörung des elterlichen Hauses und Aufbau einer neuen Existenzbasis; er eröffnete ein Schreibwarengeschäft mit einer angeschlossenen Leihbücherei.

 

Seine große Passion aber war die Lyrik. In jungen Jahren hatte er schon damit begonnen, Gedichte zu schreiben, in denen er oft alltägliche Vorgänge oder Beobachtungen mit immer größer werdender  Perfektion in der Formulierungs-verknappung eingängig darstellte.

 

Viele seiner Gedichte sind in großen überregionalen Zeitungen veröffentlicht worden.

 

Albert Hiemer war lange Zeit  Mitglied in Literaturzirkeln seiner Heimatstadt.

Er war nicht verheiratet  und starb im Alter von 83 Jahren in Osnabrück.

 

Albert Hiemer und Schwester Luise

    Albert Hiemer © mit seiner Schwester Luise

 

 Drei freie Beispiele einer gelungenen graphischen “Interpretation” Hiemers durch Cornelia Steinfeld:

Graphik friedhof 2

     

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)    

         aquarium

     

    gefangenes

    wasser

     

    seine grenzen

    von fischen gemessen

     

    der silberne

    sticht in den sand

     

    blasen

    bringen stummes

    an die luft

 

 

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

     

    friedhof

     

    am Tor

    die Besuchszeiten

    für Blumen.

     

    ein schwarzes Kleid

    fühlt geharkte erde

     

    der wind

    wendet die schleifen

    mit den namen den

    toten  zu

 

 

     

    Albert Hiemer © (1907 – 1990)

     

    nieselregen

     

    nieselregen

    behaucht die straßen

     

    die zigarette

    will nicht glühen

     

    dein schirm

    macht alles dunkler

     

 

Das Gedicht “Nieselregen” entspricht, bis auf den Verzicht von Groß- und Kleinschreibung, dem im Band “Lyrische Tage” (S. 50) veröffentlichten Gedicht; die beiden anderen sind nicht publizierte Variationen der Themen aus N 2 (1963 - 1975)  S. 113 (Aquarium) und S. 172 (Friedhof).