Ach Schiffmann, du fein gütiger Mann
»Ach Schiffmann, du fein gütiger Mann,
Halte du dein Schifflein, solange du kannst;
Ich habe einen Vater, der liebet mich,
Der erlöset wieder mich wohl aus dies schöne Schiff. «
Der Vater kam daher gegangen
Und sah seine Tochter im Schiff gefangen.
»Ach Vater, versetze dein schwarzes Ross
Und erlöse wieder mich wohl aus dies schöne Schiff.«
»Mein schwarzes Ros versetz ich nicht,
Dein junges Leben errett ich nicht. «
»Ach Schiffmann, lass versinken,
Die schöne Floria, sie soll ertrinken! «
»Ach Schiffmann, du fein gütiger Mann,
Halte du dein Schifflein, solange du kannst;
Ich habe eine Mutter, die liebet mich,
Die erlöst wieder mich wohl aus dies schöne Schiff. «
Die Mutter kam daher gegangen
Und sah ihre Tochter im Schiff gefangen.
»Ach Mutter, versetze dein seidnes Kleid
Und erlöse wieder mich wohl aus dies schöne Schiff. «
»Mein seidnes Kleid versetz ich nicht,
Dein junges Leben errett ich nicht. «
»Ach Schiffmann, lass versinken,
Die schöne Floria, sie soll ertrinken! «
»Ach Schiffmann, du fein gütiger Mann,
Halte du dein Schifflein, solange du kannst;
Ich hab einen Bruder, der liebet mich,
Der erlöset wieder mich wohl aus dies schöne Schiff«
Der Bruder kam daher gegangen
Und sah seine Schwester im Schiff gefangen.
»Ach Bruder, versetze dein blankes Schwert
Und erlöse wieder mich wohl aus dies schöne Schiff.”
»Mein blankes Schwert versetz ich nicht,
Dein junges Leben errett ich nicht. «
»Ach Schiffmann, lass versinken,
Die schöne Floria, sie soll ertrinken! «
»Ach Schiffmann, du fein gütiger Mann,
Halte du dein Schiff lein, solange du kannst;
Ich hab eine Schwester, die liebet mich,
Die erlöset wieder mich wohl aus dies schöne Schiff
Die Schwester kam daher gegangen,
Und sah ihre Schwester im Schiff gefangen.
»Ach Schwester, versetze deinen Perlenkranz
Und erlöse wieder mich wohl aus dies schöne Schiff
»Mein' Perlenkranz versetz ich nicht,
Dein junges Leben errett ich nicht. «
»Ach Schiffmann, lass versinken,
Die schöne Floria, sie soll ertrinken! «
»Ach Schiffmann, du fein gütiger Mann,
Halte du dein Schifflein, solange du kannst;
Ich hab einen Liebsten, der liebet mich,
Der erlöset wieder mich wohl aus dies schöne Schiff.
Der Liebste kam daher gegangen
Und sah sein Liebchen im Schiff gefangen.
»Ach Liebster, versetze deinen goldnen Ring
Und erlöse wieder mich wohl aus dies schöne Schiff.'
»Meinen goldnen Ring versetz ich wohl,
Dein junges Leben errett ich schon. «
»Ach Schiffmann, fahr zu Lande,
Die schöne Floria, die soll zu Lande. «
Et wassen twee Künigeskinner
Et wassen twee Künigeskinner,
De hadden eenander so leef,
De können ton anner nich kummen:
Dat Water was vil to breed.
»Leef Herte, kanst du der nich swemmen?
Leef Herte, so swemme to mi!
Ik will di twe Keskes upsteken, (= Kerzen anzünden)
Un de sollt lochten to di!«
Dat horde ne falske Nunne (= treulose Nonne)
Up ere Slopkammer, o we!
Se dey de Keskes utdömpen: (= auslöschen)
Leef Herte bleef in de See.
Et was up en Sundage Morgen,
De Lüde wören alle so fro;
Nich so de Künigesdochter,
De Augen de seten ehr to.
»O Moder«, säde se, »Moder,
Mine Augen doht mi der so we;
Mag ik der nich gohn spatzeren
An de Kant von de ruskende See?« (= rauschende)
»O Dochter«, säde se, »Dochter,
Allene kanst du der nich gohn;
Weck up dine jüngste Süster,
Un de sall met di gohn.«
»Mine allerjüngste Süster
Is noch so'n unnüsel Kind, (= naives Kind)
Se plücket wol alle de Blömkes,
De an de Seekante sind.«
»Un plückt se auk men de wilden
Un lätt de tammen stöhn,
So segget doch alle de Lüde:
Dat het dat Künigskind dohn!«
»O Moder«, sede se, »Moder,
Mine Augen daht mi der so we;
Mag ik der nich gohn spatzeren
An de Kant von de ruskende See?«
»O Dochter«, sede se, »Dochter,
Allene säst du der nich gohn;
Weck up dinen jüngsten Broder,
Un de sall met di gohn.«
»Min allerjüngsten Broder
Is noch so'n unnüsel Kind,
He schütt wull alle de Vügel,
De up de Seekante sind.«
»Und schütt he auk men de wilden
Un lätt de tammen gohn,
So segget doch alle Lüde:
Dat het dat Künigskind dohn.«
»O Moder«, sede se, »Moder,
Min Herte doht mi der so we,
Laet andere gohn tor Kerken (= Kirche)
Ik bed' an de ruskende See!«
Da sät de Künigesdochter
Up't Hoefd ere goldene Krön,
Se Stack up eren Finger
En Rink von Demanten so schon.
De Moder genk to de Kerken,
De Dochter genk en de Seekant,
Se genk der so lange spatzeren,
Bes se enen Fisker fand.
»O Fisker, leeveste Fisker,
Ji könnt verdeenen grot Lohn:
Settet jue Netkes to Water, (= lasst eure Netze)
Fisket mi den Künigessohn!«
He sette sin Netkes to Water,
De Lotkes sänken to Grund,
He fiskde und fiskde so lange,
De Künigssohn wurde sin Fund.
Do nam de Künigesdochter
Von Hoefd ere goldene Krön:
»Sü do, woledele Fisker,
Dat is ju verdeende Lohn.«
Se trock von eren Finger (= zog ab von ihrem Finger)
Den Rink von Demanten so schon:
»Sü do, woledele Fisker,
Dat isju verdeende Lohn.«
Se namm in ere blanke Arme
Den Künigssohn, o we!
Se sprank met em in de Wellen:
»O Vader un Moder, ade!«
*
Es waren zwei Königskinder
(Volksballade)
Es waren zwei Königskinder,
Die hatten einander so lieb,
Sie konnten zusammen nicht kommen,
Das Wasser war viel zu tief.
„Ach Liebster, könntest du schwimmen,
So schwimm doch herüber zu mir!
Drei Kerzen will ich anzünden,
Die sollen leuchten zu dir."
Das hört' eine böse Nonne,
Die tat, als wenn sie schlief;
Sie tat die Kerzlein auslöschen,
Der Jüngling ertrank so tief.
„Ach Fischer, liebster Fischer,
Willst du verdienen groß Lohn?
So wirf dem Netz ins Wasser
Und fisch mir den Königssohn!"
Er warf das Netz ins Wasser,
Es ging bis auf den Grund;
Er Fischte und fischte so lange,
Bis er den Königssohn fand.
Sie schloß ihn in ihre Arme
Und küßt' seinen bleichen Mund:
„Ach Mündlein, könntest du sprechen,
So war mein jung Herze gesund."
Sie schwang um sich ihren Mantel
Und sprang wohl in die See;
„Ade, mein Vater und Mutter,
Ihr seht mich nimmermehr!"
Da hörte man Glocken läuten,
Da hörte man Jammer und Not:
Da lagen zwei Königskinder,
Die waren beide tot.