Ehepaar_Busch2

 

  Lesen schadet den Augen

 

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          Volksballaden 

       

      Mutter, ach Mutter, es hungert mich!

       

      »Mutter, ach  Mutter! Es hungert mich,

      Gib mir Brot, sonst sterbe ich!«

      »Warte nur, mein liebes Kind!

      Morgen wollen wir ackern geschwind.«

      Als das Feld geackert war,

      Schreit das Kind noch immerdar:

       

      »Mutter, ach Mutter! Es hungert mich,

      Gib mir Brot, sonst sterbe ich!«

      »Warte nur, mein liebes Kind!

      Morgen wollen wir säen. geschwind.«

      Als das Feld gesäet war,

      Schreit das Kind noch immerdar:

       

      »Mutter, ach Mutter! Es hungert mich,

      Gib mir Brot, sonst sterbe ich!«

      »Warte nur, mein liebes Kind!

      Morgen wollen wir eggen geschwind..«

      Als das Feld geegget war,

      Schreit das Kind noch immerdar:

       

      »Mutter, ach Mutter! Es hungert mich,

      Gib mir Brot, sonst sterbe ich!«

      »Warte nur, mein liebes Kind!

      Morgen wollen wir jäten geschwind..«

      Als das Feld gejätet war,

      Schreit das Kind noch immerdar:

       

      »Mutter, ach Mutter! Es hungert mich,

      Gib mir Brot, sonst sterbe ich!«

      »Warte nur, mein liebes Kind!

      Morgen wollen wir schneiden geschwind..«

      Als das Feld geschnitten war,

      Schreit das Kind noch immerdar:

       

      »Mutter, ach Mutter! Es hungert mich,

      Gib mir Brot, sonst sterbe ich!«

      »Warte nur, mein liebes Kind!

      Morgen wollen wir dreschen geschwind..«

      Als das Korn gedroschen war,

      Schreit das Kind noch immerdar:

       

      »Mutter, ach Mutter! Es hungert mich,

      Gib mir Brot, sonst sterbe ich!«

      »Warte nur, mein liebes Kind!

      Morgen wollen wir mahlen geschwind..«

      Als das Korn gemahlen war,

      Schreit das Kind noch immerdar:

       

      »Mutter, ach Mutter! Es hungert mich,

      Gib mir Brot, sonst sterbe ich!«

      »Warte nur, mein liebes Kind!

      Morgen wollen wir backen geschwind..«

      Als das Brot gebacken war,

      Liegt das Kind auf der Totenbahr.

       

            *

      Lenore

      (Die Toten reiten schnell)

       

      Es stehn die Stern am Himmel,

      Es scheint der Mond so hell,

      Die Toten reiten schnell:

       

      »Mach auf, mein Schatz, dein Fenster,

      Las mich zu dir hinein,

      Kann nicht lang bei dir sein;

       

      Der Hahn, der tat schon krähen,

      Er singt uns an den Tag,

      Nicht lang mehr bleiben mag.

       

      Weit bin ich her geritten,

      Zweihundert Meilen weit

      Muss ich noch reiten heut;

       

      Herzallerliebste meine!

      Komm, setz dich auf mein Pferd,

      Der Weg ist Reitens wert.

       

      Dort drin im Ungerlande

      Hab ich ein kleines Haus,

      Da geht mein Weg hinaus.

       

      Auf einer grünen Heide,

      Da ist mein Haus gebaut

      Für mich und meine Braut.

       

      Las mich nicht lang mehr warten,

      Komm, Schatz, zu mir herauf,

      Weil fort geht unser Lauf.

       

      Die Sternlein tun uns leuchten,

      Es scheint der Mond so hell,

      Die Toten reiten schnell. «

       

      »Wo willst mich dann hinführen?

      Ach Gott! was hast gedacht

      Wohl in der finstern Nacht?

       

      Mit dir kann ich nicht reiten.

      Dein Bettlein ist nicht breit.

      Der Weg ist auch zu weit.

       

      Allein leg du dich nieder,

      Herzliebster, schlaf

      Bis an den jüngsten Tag! «

                      *

 

      Schneiders Höllenfahrt 

       

      Es wollt ein Schneider wandern

      Am Montag in der Früh,

      Begegnet ihm der Teufel,

      Hat weder Strumpf noch Schuh

      »He he, du Schneiderg'sell!

      Du mußt mit mir in d'Höll,

      Du mußt uns Teufel kleiden,

      Es gehe, wie es wöll!«

       

      Sobald der Schneider in d'Höllen kam,

      Nahm er sein'n Ellenstab,

      Er schlug den Teufeln die Buckel voll,

      Die Höll wohl auf und ab.

      »He he, du Schneiderg'sell!

      Mußt wieder aus der Höll;

      Wir brauchen nicht das Messen,

      Es gehe, wie es wöll!«

       

      Nachdem er all gemessen hat,

      Nahm er sein lange Scher

      Und stutzt den Teufeln d'Schwänzlein ab,

      Sie hüpften hin und her.

      »He, he, du Schneiderg'sell,

      Pack dich nur aus der Höll!

      Wir brauchen nicht das Stutzen,

      Es gehe, wie es wöll!«

       

      Da zog er's Bügeleisen 'raus

      Und warf's ins Höllenfeur,

      Er streicht den Teufeln d'Falten aus,

      Sie schrieen ungeheur:

      »He he, du Schneiderg'sell,

      Geh du nur aus der Höll!

      Wir brauchen nicht das Bügeln,

      Es gehe, wie es wöll!«

       

      Er nahm den Pfriemen aus dem Sack

      Und stach sie in die Köpf,

      Er sagt: »Halt't still, ich bin schon da,

      So setzt man bei uns Knöpf,

      »He he, du Schneiderg'sell,

      Geh einmal aus der Höll!

      Wir brauchen keine Knöpfe,

      Es gehe, wie es wöll!«

       

      Darauf nahm er Nadel und Fingerhut

      Und fängt zu stechen an,

      Er flickt den Teufeln d'Naslöcher zu,

      So eng er immer kann.

      »He, he, du Schneiderg'sell,

      Pack dich doch aus der Höll!

      Wir können nimmer riechen,

      Es gehe, wie es wöll!«

       

      Darauf fängt er zu schneidern an,

      Das Ding hat ziemlich 'brennt,

      Er hat den Teufeln mit Gewalt

      Die Ohren abgetrennt,

      »He, he, du Schneiderg'sell,

      Marschier nur aus der Höll!

      Sonst brauchen wir den Bader,

      Es gehe, wie es wöll!«

       

      Nach diesem kam der Luzifer

      Und sagt: »Es ist ein Graus,

      Kein Teufel hat ein Schwänzerl mehr,

      Jagt ihn zur Höll hinaus !«

      »He he, du Schneiderg'sell,

      Nun pack dich aus der Höll!

      Wir brauchen keine Kleider,

      Es gehe, wie es wöll!«

       

      Nachdem er nun hat aufgepackt,

      Da war ihm erst recht wohl,

      Er hüpft und springet unverzagt,

      Lacht sich den Buckel voll,

      Ging eilends aus der Höll

      Und blieb ein Schneiderg'sell:

      Drum holt der Teufel kein'n Schneider mehr,

      Er stehl, so viel er wöll.

       

                         *

 

      Ach Schiffmann, du fein gütiger Mann 

       

      »Ach Schiffmann, du fein gütiger Mann,

      Halte du dein Schifflein, solange du kannst;

      Ich habe einen Vater, der liebet mich,

      Der erlöset wieder mich wohl aus dies schöne Schiff. «

      Der Vater kam daher gegangen

      Und sah seine Tochter im Schiff gefangen.

      »Ach Vater, versetze dein schwarzes Ross

      Und erlöse wieder mich wohl aus dies schöne Schiff.«

      »Mein schwarzes Ros versetz ich nicht,

      Dein junges Leben errett ich nicht. «

      »Ach Schiffmann, lass versinken,

      Die schöne Floria, sie soll ertrinken! «

       

      »Ach Schiffmann, du fein gütiger Mann,

      Halte du dein Schifflein, solange du kannst;

      Ich habe eine Mutter, die liebet mich,

      Die erlöst wieder mich wohl aus dies schöne Schiff. «

      Die Mutter kam daher gegangen

      Und sah ihre Tochter im Schiff gefangen.

      »Ach Mutter, versetze dein seidnes Kleid

      Und erlöse wieder mich wohl aus dies schöne Schiff. «

      »Mein seidnes Kleid versetz ich nicht,

      Dein junges Leben errett ich nicht. «

      »Ach Schiffmann, lass versinken,

      Die schöne Floria, sie soll ertrinken! «

       

      »Ach Schiffmann, du fein gütiger Mann,

      Halte du dein Schifflein, solange du kannst;

      Ich hab einen Bruder, der liebet mich,

      Der erlöset wieder mich wohl aus dies schöne Schiff«

      Der Bruder kam daher gegangen

      Und sah seine Schwester im Schiff gefangen.

      »Ach Bruder, versetze dein blankes Schwert

      Und erlöse wieder mich wohl aus dies schöne Schiff.”

      »Mein blankes Schwert versetz ich nicht,

      Dein junges Leben errett ich nicht. «

      »Ach Schiffmann, lass versinken,

      Die schöne Floria, sie soll ertrinken! «

       

      »Ach Schiffmann, du fein gütiger Mann,

      Halte du dein Schiff lein, solange du kannst;

      Ich hab eine Schwester, die liebet mich,

      Die erlöset wieder mich wohl aus dies schöne Schiff

      Die Schwester kam daher gegangen,

      Und sah ihre Schwester im Schiff gefangen.

      »Ach Schwester, versetze deinen Perlenkranz

      Und erlöse wieder mich wohl aus dies schöne Schiff

      »Mein' Perlenkranz versetz ich nicht,

      Dein junges Leben errett ich nicht. «

      »Ach Schiffmann, lass versinken,

      Die schöne Floria, sie soll ertrinken! «

       

      »Ach Schiffmann, du fein gütiger Mann,

      Halte du dein Schifflein, solange du kannst;

      Ich hab einen Liebsten, der liebet mich,

      Der erlöset wieder mich wohl aus dies schöne Schiff.

      Der Liebste kam daher gegangen

      Und sah sein Liebchen im Schiff gefangen.

      »Ach Liebster, versetze deinen goldnen Ring

      Und erlöse wieder mich wohl aus dies schöne Schiff.'

      »Meinen goldnen Ring versetz ich wohl,

      Dein junges Leben errett ich schon. «

      »Ach Schiffmann, fahr zu Lande,

      Die schöne Floria, die soll zu Lande. «

       

              *

      Et wassen twee Künigeskinner 

       

      Et wassen twee Künigeskinner,

      De hadden eenander so leef,

      De können ton anner nich kummen:

      Dat Water was vil to breed.

       

      »Leef Herte, kanst du der nich swemmen?

      Leef Herte, so swemme to mi!

      Ik will di twe Keskes  upsteken,    (= Kerzen anzünden)

      Un de sollt lochten to di!«

       

      Dat horde ne falske Nunne     (= treulose Nonne)

      Up ere Slopkammer, o we!

      Se dey de Keskes utdömpen:      (= auslöschen)

      Leef Herte bleef in de See.

       

      Et was up en Sundage Morgen,

      De Lüde wören alle so fro;

      Nich so de Künigesdochter,

      De Augen de seten ehr to.

       

      »O Moder«, säde se, »Moder,

      Mine Augen doht mi der so we;

      Mag ik der nich gohn spatzeren

      An de Kant von de ruskende See?«    (= rauschende)

       

      »O Dochter«, säde se, »Dochter,

      Allene kanst du der nich gohn;

      Weck up dine jüngste Süster,

      Un de sall met di gohn.«

       

      »Mine allerjüngste Süster

      Is noch so'n unnüsel Kind,                 (= naives Kind)

      Se plücket wol alle de Blömkes,

      De an de Seekante sind.«

       

      »Un plückt se auk men de wilden

      Un lätt de tammen stöhn,

      So segget doch alle de Lüde:

      Dat het dat Künigskind dohn!«

       

      »O Moder«, sede se, »Moder,

      Mine Augen daht mi der so we;

      Mag ik der nich gohn spatzeren

      An de Kant von de ruskende See?«

       

      »O Dochter«, sede se, »Dochter,

      Allene säst du der nich gohn;

      Weck up dinen jüngsten Broder,

      Un de sall met di gohn.«

       

      »Min allerjüngsten Broder

      Is noch so'n unnüsel Kind,

      He schütt wull alle de Vügel,

      De up de Seekante sind.«

       

      »Und schütt he auk men de wilden

      Un lätt de tammen gohn,

      So segget doch alle Lüde:

      Dat het dat Künigskind dohn.«

       

      »O Moder«, sede se, »Moder,

      Min Herte doht mi der so we,

      Laet andere gohn tor Kerken                 (= Kirche)

      Ik bed' an de ruskende See!«

       

      Da sät de Künigesdochter

      Up't Hoefd ere goldene Krön,

      Se Stack up eren Finger

      En Rink von Demanten so schon.

       

      De Moder genk to de Kerken,

      De Dochter genk en de Seekant,

      Se genk der so lange spatzeren,

      Bes se enen Fisker fand.

       

      »O Fisker, leeveste Fisker,

      Ji könnt verdeenen grot Lohn:

      Settet jue Netkes to Water,         (= lasst  eure Netze)

      Fisket mi den Künigessohn!«

       

      He sette sin Netkes to Water,

      De Lotkes sänken to Grund,

      He fiskde und fiskde so lange,

      De Künigssohn wurde sin Fund.

       

      Do nam de Künigesdochter

      Von Hoefd ere goldene Krön:

      »Sü do, woledele Fisker,

      Dat is ju verdeende Lohn.«

       

      Se trock von eren Finger     (= zog  ab von ihrem Finger)

      Den Rink von Demanten so schon:

      »Sü do, woledele Fisker,

      Dat isju verdeende Lohn.«

       

      Se namm in ere blanke Arme

      Den Künigssohn, o we!

      Se sprank met em in de Wellen:

      »O Vader un Moder, ade!«

       

                             *

      Es waren zwei Königskinder

                (Volksballade)

       

      Es waren zwei Königskinder,

      Die hatten einander so lieb,

      Sie konnten zusammen nicht kommen,

      Das Wasser war viel zu tief.

       

      „Ach Liebster, könntest du schwimmen,

      So schwimm doch herüber zu mir!

      Drei Kerzen will ich anzünden,

      Die sollen leuchten zu dir."

       

      Das hört' eine böse Nonne,

      Die tat, als wenn sie schlief;

      Sie tat die Kerzlein auslöschen,

      Der Jüngling ertrank so tief.

       

      „Ach Fischer, liebster Fischer,

      Willst du verdienen groß Lohn?

      So wirf dem Netz ins Wasser

      Und fisch mir den Königssohn!"

       

      Er warf das Netz ins Wasser,

      Es ging bis auf den Grund;

      Er Fischte und fischte so lange,

      Bis er den Königssohn fand.

       

      Sie schloß ihn in ihre Arme

      Und küßt' seinen bleichen Mund:

      „Ach Mündlein, könntest du sprechen,

      So war mein jung Herze gesund."

       

      Sie schwang um sich ihren Mantel

      Und sprang wohl in die See;

      „Ade, mein Vater und Mutter,

      Ihr seht mich nimmermehr!"

       

      Da hörte man Glocken läuten,

      Da hörte man Jammer und Not:

      Da lagen zwei Königskinder,

      Die waren beide tot.

                   

 

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