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  Lesen schadet den Augen

 

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                   Sommer im Gedicht

IMG_2399_Nachtkerzen Sias Garten

 

          Frühlingsblumen  (Volkslied) 

           

          Herzlich tut mich erfreuen

          Die fröhlich Sommerzeit,

          All mein Geblüt verneuen,

          Der Mai in  Wollust freut,

          Die Lerch tut sich erschwingen

          Mit ihrem hellen Schall,

          Lieblich die Vöglein singen,

          Dazu die Nachtigall.

           

          Der Kuckuck mit seinem Schreien

          Macht fröhlich jedermann!

          Des Abends fröhlich reihen

          Die Mädlein wohlgetan;         

          Spazieren zu den Brunnen

          Bekränzen sie zur Zeit,

          Alle Welt sich freut in Wonnen

          Mit Reisen fern und weit.

           

          Es grünet in dem Walde,

          Die Blumen blühen frei,

          Die Röslein auf dem Feld

          Von Farben mancherlei,

          Ein Blümlein steht im Garten,

          Das heißt Vergissnitmein,

          Das edle Kraut zu warten

          Macht guten Augenschein.

           

          Ein Kraut wächst in der Aue

          Mit Namen Wohlgemut,

          Liebt sehr die schönen Frauen,

          Dazu die Holderblüt,

          Die weiß und rote Rosen

          Hält man in großer Acht,

          Tut’s Geld darum verlosen,

          Schöne Kränze daraus macht.

           

          Das Kraut Jelängerjelieber

          An manchem Ende blüht,

          Bringt oft ein heimlich Fieber,

          Wer sich nicht dafür hüt;

          Ich hab es oft vernommen,

          Was dieses Kraut vermag,

          Doch kann man dem vorkommen,

          Wem lieb ist jeder Tag.

           

          Des Morgens in dem T aue

          Die Mädlein grasen gehn,     

          Gar lieblich sich anschauen

          Bei schönen Blümlein stehn,     

          Daraus sie Kränzlein machen

          Und schenkens ihrem Schatz.

          Tun freundlich ihn anlachen

          Und geben ihm ein Schmatz.

           

          Darumb lob ich den Sommer,

          Darzu den Maien gut,

          Der wendet allen Kummer

          Und bringt uns Freud und Mut;

          Der Zeit will ich genießen,          

          Dieweil ich Pfennig hab;

          Und den es tut verdrießen,

          Der fall die Stiegen herab!

           

                                                      aus:  Des Knaben Wunderhorn

 

Friedrich Spee von Langenfeld  (1591 – 1835)  – Trutznachtigall

Lob Gottes auß einer weitleuffigen Poëtischen beschreibung der frölichen SommerZeit. [22]

 

1.

 Jetzt wicklet sich der Himmel auff

    Jetzt wegen sich die Räder

Der Frühling rüstet sich zum lauff

    Vmgürt mitt Rosenfeder

O wol, wie scheinbar, frisch, vnd kraus!

    Wie glantzend Elementen!

Nitt mögens halber sprechen auß

    Noch Redner, noch Scribenten.

    O Gott, ich sing von hertzen mein,

    Gelobet muß der Schöpffer sein.

 

2.

 Du schnelle Post, o schöne Sonn!

    O gülden Roß, vnd Wagen!

O reines Rad, auff reinem Brunn

    Mitt zartem glantz beschlagen!

Jetzt schöpffest vns den besten Schein,

    So Winters war verlohren,

Da Rad, vnd Eymer schienen sein

    Von Kelt gar angefroren.

    O Gott ich sing von hertzen mein,

    Gelobet muß der Schöpffer sein.

 

 

3.

 O reines Jahr! O schöner tag!

    O Spiegelklare zeiten!

Zur Sommerlust nach Winterklag

    Der Frühling vns wird leiten.

Jm lufft ich hör die Music schon,

    Wie sichs mitt ernst bereite,

Daß vns empfang mitt süssem ton,

    Vnd lieblich hinn begleite.

    O Gott ich sing von hertzen mein,

    Gelobet muß der Schöpffer sein.

 

4.

 Für vns die schöne Nachtigal

    Den Sommer laut begrüsset,

Jhr Stimmlein vber Berg, vnd Thal

    Den gantzen lufft versüsset.

Die vöglein zart in grosser meng

    Büsch, Heck, vnd Feld durchstreiffen,

Die Nester schon seind ihn zu eng,

    Der Lufft klingt voller Pfeiffen

    O Gott ich sing von hertzen mein

    Gelobet muß der Schöpffer sein.

               (gekürzt)  s. Motivkreis Trutznachtigall

 

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Paul Gerhardt (1607 – 1676)

Sommer-Gesang

 

Geh aus mein Herz, und suche Freud

In dieser lieben Sommerzeit

An deiens Gottes Gaben:

Schau an der schönen Gärten Zier,

Und siehe, wie sie mir uns dir

Sich ausgeschmücket haben.

 

Die Bäume stehen voller Laub,

Das Erdreich decket seinen Staub

Mit einem grünen Kleide:

Narzissus und die Tulipan,

Die ziehen sich viel schöner an

Als Salomonis Seide.

 

Die Lerche schwingt Sich in die Luft,

Das Täublein fleucht aus seiner Kluft

Und macht sich in die Wälder:

Die hochbegabte Nachtigall

Ergötzt und füllt mit ihrem Schall

Berg, Hügel, Tal und Felder.

 

Die Glucke führt ihr Völklein aus,

Der Storch baut und bewohnt sein Haus,

Das Schwälblein speist die Jungen;

er schnelle Hirsch, das leichte Reh

Ist froh und kommt aus seiner Höh

Ins tiefe Gras gesprungen.

 

Die Bächlein rauschen in dem Sand

Und malen sich und ihren Rand

Mit schattenreichen Myrthen:

Die Wiesen liegen hart dabei

Und klingen ganz vom Lustgeschrei

Der Schaf und ihrer Hirten.

 

Die unverdrossne Bienenschar

Zeucht hin und her, sucht hier und dar

Ihr' edle Honigspeise:

Des süßen Weinstocks starker Saft

Bringt täglich neue Stärk und Kraft

In seinem schwachen Reise.

 

Der Weizen wachset mit Gewalt,

Darüber jauchzet jung und alt

Und rühmt die große Güte

Des, der so überflüssig labt

Und mit so manchem Gut begabt

Das menschliche Gemüte.

 

Ich selbsten kann und mag nicht ruhn:

Des großen Gottes großes Tun

Erweckt mir alle Sinnen:

Ich singe mit, wenn alles singt,

Und lasse, was dem Höchsten klingt

Aus meinem Herzen rinnen.

 

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Friedrich Gottlieb Klopstock (1723 – 1803)

Die Sommernacht

 

Wenn der Schimmer von dem Monde nun herab

   In die Wälder sich ergießt, und Gerüche

     Mit den Düften von der Linde

        In den Kühlungen wehn;

 

So umschatten mich Gedanken an das Grab

   Der Geliebten, und ich seh in dem Walde

     Nur es dämmern, und es weht mir

        Von der Blüte nicht her.

 

Ich genoss einst, o ihr Toten, es mit euch!

   Wie umwehten uns der Duft und die Kühlung,

     Wie verschönt warst von dem Monde,

        Du o schöne Natur!

                                                             (1766)

 

 

Johann Georg Jacobi ( 1740 – 1814)

Der Sommertag

Wie Feld und Au

So blinkend im Tau!

Wie perlenschwer

Die Pflanzen umher!

Wie durch den Hain

Die Lüfte so rein!

Wie laut im hellen Sonnenstrahl

Die süßen Vöglein allzumal!

 

Ach, aber da,

Wo Liebchen ich sah,

Im Kämmerlein,

So nieder und klein,

So rings bedeckt,

Der Sonne versteckt -

Wo blieb die Erde weit und breit

Mit aller ihrer Herrlichkeit?

                                                           (1776)

 

Goethe hatte 1815 das Lied irrtümlich in seine Werke aufgenommen.

      *

Johann Wolfgang Goethe ( 1749 – 1832)

 

Der Guckuck wie die Nachtigall,

Sie möchten den Frühling fesseln,

Doch drängt der Sommer schon überall

Mit Disteln und mit Nesseln.

Auch mir hat er das leichte Laub

An jenem Baum verdichtet,

Durch das ich sonst zu schönem Raub

Den Liebesblick gerichtet;

Verdeckt ist mir das bunte Dach,

Die Gitter und die Pfosten;

Wohin mein Auge spähend brach,

Dort ewig bleibt mein Osten. 

 

 

aus: Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten VI. Berliner Musenalmanach  1830

(Osten  lokalisiert die Richtung der aufgehenden Sonne und ist hier Metapher der  Geliebten.) 

 

        Joseph von Eichendorff  (1788 – 1857)

        Sehnsucht

         

        Es schienen so golden die Sterne,

        Am Fenster ich einsam stand

        Und hörte aus weiter Ferne

        Ein Posthorn im stillen Land.

        Das Herz mir im Leibe entbrennte,

        Da hab ich mir heimlich gedacht:

        Ach, wer da mitreisen könnte

        In der prächtigen Sommernacht!

         

         Zwei junge Gesellen gingen

        Vorüber am Bergeshang,

        Ich hörte im Wandern sie singen

        Die stille Gegend entlang:

        Von schwindelnden Felsenschlüften,

        Wo die Wälder rauschen so sacht,

        Von Quellen, die von den Klüften

        Sich stürzen in die Waldesnacht.

         

        Sie sangen von Marmorbildern,

        Von Gärten, die überm Gestein

        In dämmernden Lauben verwildern,

        Palästen im Mondenschein,

        Wo die Mädchen am Fenster lauschen,

        Wann der Lauten Klang erwacht

        Und die Brunnen verschlafen rauschen

        In der prächtigen Sommernacht.

                                                                                 (1834)

         

         

Karl Mayer (1786 – 1870) 

Sommerreise

 

Blaudunkler, als die Lüfte blühn,

Sahn Nelken aus dem Saatengrün.

Den schönsten Farbengruß entbot

Durchsichtig, feuerpurpurrot

Der Ackermohn dem Sonnentag,

Und oben das Entzücken lag

Als Lerchensang in klarer Luft,

Berauscht von süßem Segensduft,

Da gab es viel zu stehn, zu preisen

Und langsam ging es mit dem Reisen.

 

 

Annette von Droste – Hülshoff (1797 – 1848)

Im Grase

 

Süße Ruh', süßer Taumel im Gras,

Von des Krautes Arom' umhaucht,

Tiefe Flut, tief, tief trunkne Flut,

Wenn die Wolke am Azure verraucht,

Wenn aufs müde schwimmende Haupt

Süßes Lachen gaukelt herab,

Liebe Stimme säuselt und träuft

Wie die Lindenblüt' auf ein Grab.

 

Wenn im Busen die Toten dann,

Jede Leiche sich streckt und regt,

Leise, leise den Odem zieht,

Die geschloßne Wimper bewegt,

Tote Lieb', tote Lust, tote Zeit,

All die Schätze, im Schutt verwühlt,

Sich berühren mit schüchternem Klang

Gleich den Glöckchen, vom Winde umspielt.

 

Stunden, flücht'ger ihr als der Kuß

Eines Strahls auf den trauernden See,

Als des ziehnden Vogels Lied,

Das mir niederperlt aus der Höh',

Als des schillernden Käfers Blitz

Wenn den Sonnenpfad er durcheilt,

Als der flücht'ge Druck einer Hand,

Die zum letzten Male verweilt.

 

Dennoch, Himmel, immer mir nur

Dieses eine nur; für das Lied

Jedes freien Vogels im Blau

Eine Seele, die mit ihm zieht,

Nur für jeden kärglichen Strahl

Meinen farbig schillernden Saum,

Jeder warmen Hand meinen Druck

Und für jedes Glück einen Traum.

        *

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August H.  Hoffmann von Fallersleben (1798 – 1874)

Wie freu' ich mich der Sommerwonne!

                27. Januar 1872.

 

Wie freu' ich mich der Sommerwonne,

Des frischen Grüns in Feld und Wald,

Wenn's lebt und webt im Glanz der Sonne

Und wenn's von allen Zweigen schallt!

 

Ich möchte jedes Blümchen fragen:

Hast du nicht einen Gruß für mich?

Ich möchte jedem Vogel sagen;

Sing, Vöglein, sing und freue dich!

 

Die Welt ist mein, ich fühl' es wieder:

Wer wollte sich nicht ihrer freu'n,

Wenn er durch frohe Frühlingslieder

Sich seine Jugend kann erneu'n?

 

Kein Sehnen zieht mich in die Ferne,

Kein Hoffen lohnet mich mit Schmerz:

Da wo ich bin, da bin ich gerne,

Denn meine Heimat ist mein Herz.

 

      *

Friedrich Hebbel (1813 – 1863)

Sommerbild

 

Ich sah des Sommers letzte Rosen stehn,

Sie  war, als ob sie bluten könne, rot;

Da sprach ich schauernd im Vorübergehn:

So weit im Leben, ist zu nah am Tod!

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                    Foto: Sandra Heick

 

Es regte sich kein Hauch am heißen Tag,

Nur leise strich ein weißer Schmetterling;

Doch, ob auch kaum die Luft sein Flügelschlag

Bewegte, sie empfand es und verging.

         *

 

Conrad Ferdinand Meyer ( 1825 –1898)

Schwüle

 

Trüb verglomm der schwüle Sommertag,

Dumpf und traurig tönt mein Ruderschlag –

Sterne, Sterne – Abend ist es ja –

Sterne, warum seid ihr noch nicht da?

 

Bleich das Leben! Bleich der Felsenhang!

Schilf, was flüsterst du so frech und bang?

Fern der Himmel und die Tiefe nah –

Sterne, warum seid ihr noch nicht da?

 

Eine liebe, liebe Stimme  ruft

Mich beständig aus der Wassergruft –

Weg, Gespenst, das oft ich winken sah!

Sterne, Sterne, seid ihr nicht mehr da?

 

Endlich, endlich durch das Dunkel bricht

Es war Zeit! Ein schwaches Flimmerlicht –

Denn ich wusste nicht, wie mir geschah.

Sterne, Sterne, bleibt mir immer nah!

 

        *

 

        Detlev von Liliencron  (1844 – 1909)

        Einen Sommer lang

         

        Zwischen Roggenfeld und Hecken

        Führt ein schmaler Gang,

        Süßes, seliges Verstecken

        Einen Sommer lang.

         

        Wenn wir uns von ferne sehen

        Zögert sie den Schritt,

        Rupft ein Hälmchen sich im Gehen,

        Nimmt ein Blättchen mit.

         

        Hat mit Ähren sich das Mieder

        Unschuldig geschmückt,

        Sich den Hut verlegen nieder

        In die Stirn gerückt.

         

        Finster kommt sie langsam näher,

        Färbt sich rot wie Mohn,

        Doch ich bin ein feiner Späher,

        Kenn die Schelmin schon.

         

        Noch ein Blick in Weg und Weite,

        Ruhig liegt die Welt,

        Und es hat an ihre Seite

        Mich der Sturm gesellt.

         

        Zwischen Roggenfeld und Hecken

        Führt ein schmaler Gang,

        Süßes, seliges Verstecken

        Einen Sommer lang.

         

                 *

             Detlev von Liliencron  (1844 – 1909)

          Dorfkirche im Sommer

           

          Schläfrig singt der Küster vor,

          Schläfrig singt auch die Gemeinde.

          Auf der Kanzel der Pastor

          Betet still für seine Feinde.

           

          Dann die Predigt, wunderbar,

          Eine Predigt ohnegleichen.

          Die Baronin weint sogar

          Im Gestühl, dem wappenreichen.

           

          Amen, Segen, Türen weit,

          Orgelton und letzter Psalter.

          Durch die Sommerherrlichkeit

          Schwirren Schwalben, flattern Falter.

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                  LGS Papenburg 2014 Schmetterlingshaus

                   

                            Arno Holz  (1863 – 1929)

                Die uralte Kornfeldlinde

 

Aus einem Kornfeld, schräg zum See,

schaltend, uralt,

rindenrissig, krummknorrig, breitästig, blitzdurchspalten,

bröckelnd voll Lehm,

hob sich

   die

Linde.

 

 

Auf

schmalem Fußweg,

       plauschplappernd, schlendernd, frohlässig,

   an ihr vorbei,

     zwischen

        Raden, Klatschmohn, bunten Wicken,

Zyanen, Thymian,

      Löwenmaul und Kamillen,

        jeden Nachmittag, durch die Juliglut,

zum

Baden...wir...Jungens!

 

 

Der

      strahlend

reine, hohe, blaue

Himmel;

die

hundert-, hundert-

und

aberhunderttausend

      kleinen, süßduftend zarten,

       klöppelig,

    lichtgelblich, fädchenfein

    hangenden

        Blütenglöckchen... das... Bienengesumm!

 

 

         Und

    noch immer,

        wenn die anderen alle

       längst

   unten waren,

     aus dem Wasser klang ihr

        Lachen,

    Plätschern und Geschrei,

      stand ich.

 

 

        Und

    sah den Himmel... und ... hörte die Bienen

       und

        sog... den ... Duft!

               *

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        Stefan George  (1868 – 1939)

        JULI-SCHWERMUT

                                    An Ernst Dowson

         

             Blumen des sommers duftet ihr noch so reich:

             Ackerwinde im herben saatgeruch

        Du ziehst mich nach am dorrenden geländer

        Mir ward der stolzen gärten sesam fremd.

         

             Aus dem vergessen lockst du träume: das kind

             Auf keuscher scholle rastend des ährengefilds

        In ernte-gluten neben nackten schnittern

        Bei blanker sichel und versiegtem krug.

         

             Schläfrig schaukelten wespen im mittagslied

             Und ihm träufelten auf die gerötete stirn

        Durch schwachen schutz der halme-schatten

        Des mohnes blätter: breite tropfen blut.

         

             Nichts was mir je war raubt die vergänglichkeit.

             Schmachtend wie damals lieg ich in schmachtender flur

        Aus mattem munde murmelt es: wie bin ich

        Der blumen müd  .  der schönen blumen müd!    

         

                      (1910)

 

Rainer Maria Rilke  (1875 – 1926)

Das Rosen-Innere

 

Wo ist zu diesem Innen

ein Außen? Auf welches Weh

legt man solches Linnen?

Welche Himmel spiegeln sich drinnen

in dem Binnensee

dieser offenen Rosen,

dieser sorglosen, sieh:

wie sie lose im Losen

liegen, als könnte nie

eine zitternde Hand sie verschütten.

Sie können sich selber kaum

halten; viele ließen

sich überfüllen und fließen

über von Innenraum

in die Tage, die immer

voller und voller sich schließen,

bis der ganze Sommer ein Zimmer

wird, ein Zimmer in einem Traum.

 

        *

 

Ernst Stadler ( 1883 – 1914)

Die Rosen im Garten

 

Die Rosen im Garten blühn zum zweiten Mal.

Täglich schießen sie in dicken Bündeln

In die Sonne. Aber die schwelgerische Zartheit ist dahin,

Mit der ihr erstes Blühen sich im Hof des weiß und roten Sternfeuers wiegte.

Sie springen gieriger, wie aus aufgerissenen Adern strömend,

Über das heftig aufgeschwellte Fleisch der Blätter.

Ihr wildes Blühen ist wie Todesröcheln,

Das der vergehende Sommer in das ungewisse Licht des Herbstes trägt.

 

 

      Alfred Lichtenstein (1883 – 1914)

      Sommerabend

       

      Faltenlos sind alle Dinge,

      Wie vergessen, leicht und matt.

      Heilighoch spült grüner Himmel

      Stille Wasser an die Stadt.

       

      Fensterschuster leuchten gläsern.

      Bäckerläden warten leer.

      Straßenmenschen schreiten staunend

      Hinter einem Wunder her.

       

      ... Rennt ein kupferroter Kobold

      Dächerwärts hinauf, hinab.

      Kleine Mädchen fallen schluchzend

      Von Laternenstöcken ab.

                           (1912)

                           *

 

    Joachim Ringelnatz (Hans Bötticher) (1883 – 1934)

    Sommerfrische

     

    Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolken-weiß,

    Das durch den sonnigen Himmel schreitet.

    Und schmücke den Hut, der dich begleitet,

    Mit einem grünen Reis.

     

    Verstecke dich faul in die Fülle der Gräser.

    Weil's wohltut, weil's frommt.

    Und bist du ein Mundharmonikabläser

    Und hast eine bei dir, dann spiel, was dir kommt.

     

    Und lass deine Melodien lenken

    Von dem freigegebenen Wolkengezupf.

    Vergiss dich. Es soll dein Denken

    Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.

                                        *

 

Max Herrmann-Neiße (1886 – 1941)

Sommermittag am See

 

Der Mittag träumt. Der See bewegt sich träge.

Im einsam weißen Haus klagt das Klavier.

Die Uhr macht langsam ihre Stundenschläge.

Auf heißem Stein sonnt sich ein Katzentier.

 

Im Strandbad lassen sich die Menschen schmoren,

es riecht  so sommerlich nach Holz und Teer.

Man fühlt sich ohne Pflichten, weltverloren,

und spürt den nahen Süden und sein Meer.

 

Indes in all den leeren Straßen drüben

gigantisch gähnend das Verdaun gedeiht,

der Essen Dünste jetzt die Lüfte trüben,

hält ihren Schlummer ungestört die Zeit.

 

Ein Flieger zieht am Himmel in die Weite,

es nahen sich Gewitterwölkchen sacht.

Und seltsam winterlich starrt das beschneite

Gebirge fern in seiner kalten Pracht.

                                                                         (Juni oder Juli 1933)

 

Max Herrmann-Neiße (1886 – 1941)

Sommernacht

 

Vor deinen Sternen hab ich nicht Bestand,

du Sommernacht geschwisterlicher Nähe:

was Gutes auch durch meine Hand geschähe,

ist nichts vor deiner Ewigkeiten Brand!

 

Wohl steh ich, groß genug wie du entflammt;

Doch kurze Zeit nur, und die Glut verlischt,

kaum, daß Unfaßliches dem Blut sich mischt,

schon liegt es wieder träge und verschlammt.

 

Um so viel erdendumpfer währt mein Schlaf,

je menschvergeßner ich mich übernahm.

Zuletzt folgt jedem Werk nur tiefe Scham,

und Herrenspiel büß ich als ärmster Sklav’.

 

Des Astes Schatten an der Gartenwand

könnte mich töten, wenn ich nach ihm sähe;

hab’ ich vor dieser Sommernächte Nähe,

noch vor dem fernsten Stern doch nicht Bestand.

                                                   (25. 07. 1922)

 

 

Georg Trakl (1887 – 1914)

Sommersneige

 

Der grüne Sommer ist so leise

Geworden, dein kristallenes Antlitz.

Am Abendweiher starben die Blumen,

Ein erschrockener Amselruf.

 

Vergebliche Hoffnung des Lebens. Schon rüstet

Zur Reise sich die Schwalbe im Haus

Und die Sonne versinkt am Hügel;

Schon winkt zur Sternenreise die Nacht.

 

Stille der Dörfer; es tönen rings

Die verlassenen Wälder. Herz,

Neige dich nun liebender

Über die ruhige Schläferin.

 

Der grüne Sommer ist so leise

Geworden und es läutet der Schritt

Des Fremdlings durch die silberne Nacht.

Gedächte ein blaues Wild seines Pfads,

 

Des Wohllauts seiner geistlichen Jahre!    

                         *

 

Ernst Blass (1890  - 1939)

Der Sommer war ...

 

Der Sommer war opalen, und es fanden

Verschiedner Menschen Blick und Stimmen statt.

Unmerklich glitten wir durch Glasveranden

 

(An Kaffeetischen sitzend, große Fische,

Meerpflanzen, glasig, langsam sich bewegend,

Weißlich und lächelnd. Aber gegenüber

War stets die offne Muschel deines Mundes)

 

Und trieben immer schneller, um zu landen

Im vollen Leben einer grauen Stadt.

               *

 

Ernst Blass (1890  - 1939)

Sommernacht

 

Das Sternbild vor mir heißt »Der große Bär«.

Und von den Menschen seh ich nur die Schatten

Und hör sie trällern nur die dummen, platten

Kupletchen, die da schwärmen vom Begatten

Und daß das das allein Reelle wär.

 

Durch stille Hauche keucht ein Katerschrei.

Doch Wolken wölben sich monumental

Da vorne, urhaft, wie ein Grönlandswal.

Und ohne Schicksal sitzt ganz groß und kahl

Der Mond vor seiner Riesenstaffelei.

                                                                                       (1912)

 

        Johann Spratte © (1901 – 1991)

        Sommerhimmel

         

        Eine kleine

        weiße Wolke

        zog vorüber.

        Was blieb ist Bläue.

        Der Himmel

        hat keine Bezirke.

 

(aus: Johann Spratte,  Zeit der Schwalben. Gedichte, Lechte Verlag  Emsdetten 1975, S. 32)

 

      Johann Spratte © (1901 – 1991)

      Sommer

       

      Der Sommer

      ist ähnlich so wie der Winter,

      nur mit Blättern, und ohne Mantel,

      aber mit Mücken.

      Außerdem sind im Sommer

      die Tage länger,

      das kommt von den kurzen Nächten.

       

      Im Sommer

      stellt der liebe Gott die Heizung an.

      (Warum tut er das nicht im Winter,

      wo es im Sommer doch sowieso

      warm genug ist.)

 

 

(aus: Johann Spratte,  Gelber Wiesenmond. Ausgewählte Gedichte., Lechte Verlag  Emsdetten 1980, S. 96)

Ich danke ganz herzlich  dem Sohn des Autors, Herrn Wido Spratte, Wallenhorst/ Lechtingen,  für die

freundliche Abdruckerlaubnis;  Februar 2011 siehe auch:    In memoriam Johann Spratte

 

 

          Albert Hiemer (1907 – 1990)

          Sommer

           

          Meine Haut

          leihe ich der Sonne.

          Alle Wege

          gehen durch Badetücher.

          Der Wind

          hat sich hingelegt.

          Er trocknet nicht mehr

          die Schweißtropfen der Dächer.

                    ( aus: N3  - 1976-79 -  S. 40)

           

          Albert Hiemer (1907 – 1990)

          Sommer

           

          Den Vögeln

          wächst das

          Getreide entgegen.

           

          Der Wind

          malt selten Wolken.

           

          Selbst Schatten der Rosen

          duften.

                    (aus: N 4 - 1980 - S. 10)

           

          Albert Hiemer (1907 – 1990)

          Liegestuhl im Garten

           

          Bahre des Sommers

          bald hingetragen

          in die dunkle

          Ecke des Gartens.

          Aber noch hebt sie

          einen Leib

          gegen den armen Wind.

                    (N 10 – 1987/89 – S. 43)

            *

            Günter Kunert  (1929 - 2019)

            Sommer  

             

            In der Mittagshitze wenn alles schläft:

            die Katze leblos auf der Seite

            Die Fliege im Suppenteller

            Blumen im Stehen

            Einwohner hinter verhangenen Fenstern

            satt und erfüllt von Ruhe vor den Stürmen

            die meist im Glase enden

            in Mittagshitze und in Schlaf

            damit ein Kind durch Wiesen läuft

            ohne Spur inmitten aller Halme

            fern im Vergangenen:

             

            Von allen atmosphärischen Erscheinungen

            die eine die etwas anzeigt

            wofür der Name Herbst noch nicht

            das letzte Wort gewesen ist.

             

             aus: Günter Kunert, Unterwegs nach Utopia, Berlin und Weimar 1980  S. 62, Aufbau-Verlag                                       

 

Günter Kunert  (1929 – 2019)

Sommermittag 

 

Auf diesem verfilzten Grase

auf der Seite liegend:

Alles still

unter dem Boden

Aus dieser Stille kommen wir

und wollen doch niemals zurück

Unvorstellbar

daß die zarte Bewegung deiner Hand

deines Kopfes deines Mundes

dieser Kuß

flüchtig wie alle davor und danach

aus Lehm und Ton sich bildet

aus Mergel und Sand

 

Auf dem verfilzten Gras

auf der Seite liegend

habe ich solche Fragen gestellt

die schon die Antworten sind  

      *

      (aus: Günter Kunert, Stilleben. Gedichte, München Wien 1983, S. 12 Carl Hanser Verlag)

 

Günter Kunert  (1929 - 2019)

Beim Sommerflieder sitzend  

 

Durchaus unbegreiflich

in solchem Garten eine Gestalt wie ich:

Produkt ohne Kalkül, unter Befürchtungen

aufgezogen zu vergessener Zeit,

ein innerstädtisches Erzeugnis,

unversehens im gewaltlosen Grün.

Still auf der Bank, Rastplatz

von einem Pfauenauge, das

mich nicht sieht. Atmende Flügel.

Unberührbar des farbigen Staubes

Symmetrie.

Verweile doch,

heißt dieser Abschnitt merklicher

Ewigkeit.

Bis wir beide uns erheben, jeder

in seine endgültige Richtung

fort und dahin.

              *

(aus: Günter Kunert, Als das Leben umsonst war. Gedichte, München 2009, S. 49  Carl Hanser Verlag. Dem Autor Günter Kunert ein sehr herzliches Dankeschön für seine rasche Antwort vom 12. 08. 2012 und sein Einverständnis mit dem  Abdruck hier.               

 Günter Kunert verstarb am 21. 09. 2019. R.I.P.

 

                    Jürgen Becker (* 1932)

      Sommerabend

       

      Jemand erzählt, wie er den Hanomag fuhr.

      Tiefflieger, gleich brannte er aus. Drei Monate

      im Straßengraben, dann trommelten im Wind

      die Birnen auf den Schrott. Schöner Abend,

      noch ein Rest in der Flasche. Die Tochter,

      wenn das Telefon geht; sie wird den Stand

      der Ehekrise melden. Die letzte Maschine  

      biegt überm Haus in die Einflugschneise. Lange

      danach bleibt es still. Auch keine Zukunft,

      später der Borgward. Er taumelt und kreiselt;

      er schlägt, der Nachtfalter, gegen die Lampe.

 

 

      Aus: Jürgen Becker, Dorfrand mit Tankstelle. Gedichte. Suhrkamp Verlag Frankfurt a.M. 2007 S. 61

   (s. a. Motivkreis Krieg) Dem Büchner-Preisträger 2014 einen herzlichen Dank für die Abdruckerlaubnis auf meiner

  Web-Seite; 19. 06. 2014

 

 

      Horst Bingel  © (1933 – 2008)

      Sommer

       

      Weißt du, als der Wind stillstand,

      erinnere dich, die Schar der Raben,

      die Hasenparade, die eine Nacht

      im Sommer, im Mond.

      Nein, ich bin es nicht.

      Ich bin nicht Postbote im Postamt zwo,

      weißt du, der eine Tag im August?

       

      Du duftest nicht mehr nach Heu.

      Wollen wir heute abend ins Kino gehen?

      Freitag, hast du an Fisch gedacht?

      Im nächsten Urlaub fahren wir zwei,

      wie damals, nach Mallorca.

                *

                            s. auch Motivkreis Liebe

 

aus: Horst Bingel, Den Schnee besteuern.  Gedichte. Hrsg. von Werner Bucher und Virgilio Masciadri.

orte-Verlag,  Oberegg und Zürich 2009, S. 72  -Frau Barbara Bingel ganz herzlichen Dank für die

Abdruckerlaubnis.

 

Peter Härtling  (1933 - 2017)

Im Juni

 

Das gestapelte Holz

beginnt auszutrocknen

und zu wispern.

Endlich kannst du

mit dem Löffel

gegen die Tasse

schlagen

und den Morgen einläuten.

Ich frage dich,

welchen Sommer haben

wir

und welches Frühjahr ist uns

ohne Nachlaß

vergangen?

Die Gäste vom Vorjahr

haben ihre Stühle

in den Schatten

gerückt.

Wir beginnen ein

Gespräch

und überlassen es

ihnen.

Dein Schweigen hebe ich auf

für den Nachmittag,

 *

(aus: Die Mörsinger Pappel. Gedichte. Luchterhand Verlag Darmstadt und Neuwied 1987 S. 56)

Am 09.05.2011 erhielt ich in einem freundlichen Brief vom 2017 verstorbenen Autor die Abdruckerlaubnis. R.I.P.

 

Doris Runge (* 1943)

zu früh

 

der wind

in den pappeln

schüttelt blätter

silberlinge

für eine handvoll

verrät er den sommer

 *

 

Doris Runge (* 1943)

jahreszeiten

 

frühling

dem bettler

das herz in den hut

 

sommer

kirschen und küsse

mit hartem kern

 

herbst

lüftet den hut

kahl ist das feld

 

winter

die alten bilder ins feuer

der rücken bleibt kalt

     *

(aus: Doris Runge, jaglied. Gedichte, DVA Stuttgart 1985, S. 18 und 27)

Der Autorin für ihren freundlichen Rückruf vom 03. 04. 2017,  die Zustimmung zu meinem Projekt

und die Abdruckerlaubnis ganz herzlichen Dank.

 

IMG_2551_Waldgeißblatt

 

          Erich  Adler © (* 1944)

          Und tauscht den Blick …

           

          Nach dreißig Jahren Tisch und Bett

          erschreckt morgens die Frage:

          Kennst du eigentlich

          Einsamkeit

           

          Ich streiche die Brösel vom Tisch

          schiebe meiner Frau den Brotkorb in die Hand

           

          Mit meiner Überraschung im Zwiegespräch

          wandert die Frage

          zu den sinkenden  Nachrichten der Zeitung

           

          Über die Kaffeetasse hinweg geschaut

          tröpfelt Milch

          Ja lache ich:

          Einsamer noch

          als Gottfried  Benn im

          August.

             *

           

          Erich  Adler © (* 1944)

          Digitalis

                                                Für  R. K.  - 09. 08. ’07

           

          . . . ein stück des wegs

          kam mir sein Brief entgegen

          ganz ohne Krallen

          streichen mir die Zeilen über das Fell

          das sich glättet in diesem

          steinigen Sommer

          bei jedem

          aufrechten

          Wort.

                              *

 

        Erich Adler © (* 1944)

        Nach langem Regen

 

        streiten sich um den blauen Himmel

        die kreischenden Mauersegler meines Nachbarn

        mit dem dickfälligen

        weißen Streifen aus dem Hinterteil

        eines Flugzeugs

         

        Für den Augenblick stellt sich Euphorie ein

         

        Aus einem hohen Fenster steigen

        Mordpläne des Nachrichtensprechers

        herab ich verstreiche

        Sommer

        auf meinem Brot und dulde

        wie Tauben auf den Gartentisch

        scheißen.

           *

                Für Lisa und Lutz

 

                           heiß, aber noch nicht copyfrei:

Gottfried Benn (1886 -1956) Astern (Astern -, schwälende Tage)

                                       Tag der den Sommer endet

                                       Einsamer nie ... ( Einsamer nie als im  August)

Rose Ausländer (1901 – 1988)  Spätsommer (Die Farben der Anemonen/ werden  bleich) 

Günter Eich (1907 - 1972)  Ende eines Sommers  (Wer mochte leben ohne den  Trost der Bäume!) 

Christine Lavant (1915 – 1973)   Aus den Steinen bricht der Schweiß

Ernst Jandl  (1925 – 2000)    Sommerlied  (wir sind die menschen auf den wiesen)

Ingeborg Bachmann   (1926 – 1973)        Die große Fracht ( - des Sommers ist verladen)

Jürgen Becker (* 1932) Vorort, Sommer, Nachmittag ( - so etwas von)

Reiner Kunze  (* 1933) Verregneter Sommer (Morgen für morgen blickst du ins  Land

                                                                          ob die kuppeln der kirchtürme)

IMG_2390_Trauerweide verregnet

 

Sarah Kirsch (1935 - 2013)  Im Sommer (Dünnbesiedelt das Land)

Rolf Dieter Brinkmann (1940 – 1975)  Einen jener klassischen (schwarzen Tango  in Köln, Ende des/ Monats August)

                                     Die Orangensaftmaschine (dreht sich  & Es  ist gut, dass der Barmann)

Guntram Vesper (* 1941)     Sommerhexen (Im Schultergriff der Sonne)

                           Untergasse Sommerabend (Die Kinder zählen ab bis spät)

                                                                                                           

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