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  Lesen schadet den Augen

 

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                               Winter  in  Gedichten

 

        Walther von der Vogelweide (1170 – ca. 1230)

        LIEDER NACH 1205 – Mädchenlieder

        1

        Diu welt was gelf, rôt unde blâ,

        grüen in dem walde und anderswâ.

        kleine vogele sungen dâ.

        nû schriet aber diu nebelkrâ.

        pfligts iht ander varwe ? jâ,

        sist worden bleich und übergrâ:

        des rimpfet sich vil manic brâ.

        2

        Ich saz ûf eime grüenen lê,

        da ensprungen bluomen unde klê

        zwischen mir und eime sê:

        der ougenweide ist da niht mê.

         da wir schapel brachen ê,

        da lît nû rîfe und ouch der snê:

        das tuot den vogellînen wê.

        3

        Die tôren sprechent snîâ snî,

        die armen liute owê owî.

        des bin ich swaere alsam ein blî:

        der wintersorge hân ich drî.

        swaz der und der ändern sî,

        der wurde ich alse schiere frî,

        waer uns der sumer nâhe bî.

        4

        Ě danne ich lange lebt alsô,

        den krebz wolt ich ê ezzen rô.

        sumer, mache uns aber frô,

        dû zierest anger unde lô.

        mit den bluomen spilt ich dô,

        mîn herze swebt in sunnen hô:

        daz jaget der winter in ein strô.

        5

        Ich bin verlegen als ein sû (Ěsâû):

        min sleht hâr ist mir worden rû.

        süezer sumer, wâ bist dû ?

        jâ saehe ich gerner veltgebû.

        ê deich lange in sellier drû

        beklemmet waere als ich bin nû,

        ich wurde ê münch ze Toberlû.

     

     

      Wintervokale

      Die Welt war gelb, rot und bla (u),

      überall grün, nicht nur im Wald.

      Kleine Vögelchen sangen da.

      Nun schreit aber die Nebelkrah’.

      In anderer Farbe? Ja doch , ja -

      bleich geworden und rundum gra (u)

      naht vielfach sich manch Sorgenfalt’.

       

      Ich selbst saß droben auf grüner Höh

      dort am Quell von Blumen und Klee

      breiteten sich zwischen mir und dem See:

      Verschwunden eh dies Augenmeer

      wo wir einst Kopfschmuck holten her.

      Jetzt liegt dort nur noch Raureif und Schnee

      beides tut den Vögelein weh.

       

      Die Narren fordern: Schnei doch, schnei!

      Arme jammern: Oweh, owei!

      Mein Herz wird schwer, so schwer wie Blei:

      Drei  Wintersorgen eilen herbei.

      Wie es um diese und andere wohl sei

      wär mir doch völlig einerlei

      käm nur der Sommer rasch herbei.

       

      O wenn ich lange noch lebte so

      äße ich lieber die Krebse selbst roh.

      Sommer, mache uns wieder froh

      ziere das Grasland und das Holz.

      Mit den Blumen zu spielen – oh

      mein Herz schwebte zur Sonne hoch

      das jetzt verjagt hat der Winter ins Stroh.

       

      Vom Nichtstun träg  wie ein Schwein in der Suhle:

      Mein glattes Haar ist ganz struppig nun.

      Lieblicher Sommer, wohin  bist du?

      Lieber im Feld wär mir Arbeitsunruh

      als länger noch in solcher Kuhle

      und unbeweglich durch dieses Los – puh…

      eher noch Mönchlein in Toberlu!

                                        Vokal-Adaption: Erich Adler ©

 

Haster_Winter

     Friedrich Hölderlin ( 1770 - 1843)

     Der Winter

     Das Feld ist kahl, auf ferner Höhe glänzet

     Der blaue Himmel nur, und wie die Pfade gehen,

     Erscheinet die Natur, als Einerlei, das Wehen

     Ist frisch, und die Natur von Helle nur umkränzet.

     Der Erde Stund ist sichtbar von dem Himmel

     Den ganzen Tag, in heller Nacht umgeben,

     Wenn hoch erscheint von Sternen das Gewimmel,

     Und geistiger das weit gedehnte Leben.

     

         Joseph Freiherr von Eichendorff (1788 - 1857)

         Winternacht

         Verschneit liegt rings die ganze Welt,

        Ich hab' nichts, was mich freuet,

        Verlassen steht der Baum im Feld,

        Hat längst sein Laub verstreuet.

        Der Wind nur geht bei stiller Nacht

        Und rüttelt an dem Baume,

        Da rührt er seine Wipfel sacht

        Und redet wie im Traume.

        Er träumt von künft'ger Frühlingszeit,

        Von Grün und Quellenrauschen,

        Wo er im neuen Blütenkleid

         Zu  Gottes Lob wird rauschen.

     

     

       Friedrich Rückert (1788 - 1866)

      Der Frost hat mir bereifet

      Der Frost hat mir bereifet des Hauses Dach;

      Doch warm ist mir's geblieben im Wohngemach.

      Der Winter hat die Scheitel mir weiß gedeckt;

      Doch fließt das Blut, das rote, durchs  Herzgemach                           .

      Der Jugendflor der Wangen, die Rosen sind

      Gegangen, all gegangen einander nach -

      Wo sind sie hingegangen? ins Herz hinab:

      Da blühn sie nach Verlangen, wie vor so nach.

 

 

      Sind alle Freudenströme der Welt versiegt?

      Noch fließt mir durch den Busen ein stiller Bach.

      Sind alle Nachtigallen der Flur verstummt?

      Noch ist bei mir im Stillen hier eine wach.

       

      Sie singet: "Herr des Hauses! verschleuß dein Tor,

      Daß nicht die Welt, die kalte, dring ins Gemach.

      Schleuß aus den rauher Odem der Wirklichkeit,

      Und nur dem Duft der Träume gib Dach und Fach!"

       

      Ich habe Wein und Rosen in jedem Lied,

      und habe solcher Lieder noch tausendfach.

      Vom Abend bis zum Morgen und Nächte durch

      will ich dir singen Jugend und Liebesweh.

       

       

        Nikolaus Lenau (1802 - 1850)

        Winternacht

        Vor Kälte ist die Luft erstarrt,

        Es kracht der Schnee von meinen Tritten,

        Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;

        Nur fort, nur immer fortgeschritten!

         

        Wie feierlich die Gegend schweigt!

        Der Mond bescheint die alten Fichten,

        Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,

        Den Zweig zurück zur Erde richten.

         

        Frost, friere mir ins Herz hinein,

        Tief in das heißbewegte, wilde!

        Dass einmal Ruh mag drinnen sein

        Wie hier im nächtlichen Gefilde!

 

 

      Friedrich Hebbel (1813 -1863)

      Landschaft 

      Unendlich dehnt sie sich, die weiße Fläche,

      bis auf den letzten Hauch von Leben leer;

      die muntern Pulse stocken längst, die Bäche,

      es regt sich selbst der kalte Wind nicht mehr.

      Der Rabe dort, im Berg von Schnee und Eise,

      erstarrt und hungrig, gräbt sich tief hinab,

      und gräbt er nicht heraus den Bissen Speise,

      so gräbt er, glaub' ich, sich hinein ins Grab.

      Die Sonne, einmal noch durch Wolken blitzend,

      wirft einen letzten Blick auf's öde Land,

      doch, gähnend auf dem Thron des Lebens sitzend,                                         

      trotzt ihr der Tod im weißen Festgewand. 

       

     

          Gottfried Keller  (1819 - 189O)

          Winternacht

          Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt,

          Still und blendend lag der weiße Schnee,

          Nicht ein Wölklein hing am Sternenzelt,

          Keine Welle schlug im starren See.

           

          Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf,

          Bis sein Wipfel in dem Eis gefror;

          An den Ästen klomm die Nix herauf,

          Schaute durch das grüne Eis empor.

           

          Auf dem dünnen Glase stand ich da,

          Das die schwarze Tiefe von mir schied;

          Dicht ich unter meinen Füßen sah

          Ihre weiße Schönheit Glied für Glied.

           

          Mit ersticktem Jammer tastet' sie

          An der harten Decke her und hin.

          Ich vergaß das dunkle Antlitz nie,

          Immer, immer liegt es mir im Sinn.

 

 

                Oskar Loerke (1884 – 1941)

        Berliner Winterabend

        Häuser, trübe Tafeln, beschmiert mit brennender Schrift,

        Die zuckend ruft und bettelnd beteuert.

        Sterne sind in Wolken auf der Trift,

        Der blaue Lein des Sommers ist längst eingescheuert.

         

        Nackte Bäume wie Besen der Arbeitslosen.

        Darüber streunt der freie Wind.

        Ein Hauch von Süden macht das Auge blind:

        Weit reicht der Dufthof der Mimosen.

                      

                                    (aus:  Oskar Loerke,  Der Silberdistelwald, Berlin 1934)

       

      Else Lasker – Schüler (1869 – 1945)

      Winternacht

      (Cellolied)

      Ich schlafe tief in starrer Winternacht,

      Mir ist, ich lieg‘ in Grabesnacht,

      Als ob ich spät um Mitternacht gestorben sei

      Und schon ein Sternenleben tot sei.

       

      Zu meinem Kinde zog mein Glück

      Und alles Leiden in das Leid zurück,

      Nur meine Sehnsucht sucht sich heim

      Und zuckt wie zähes Leben

      Und stirbt zurück

              In sich.

       

      Ich schlafe tief in starrer Winternacht,

      Mir ist, ich lieg‘ in Grabesnacht.

 

          (aus: E.L.-Sch., Styx)

                        *

      Else Lasker – Schüler (1869 – 1945)

      Ich friere

      Und halte mich vor deiner Türe

      In Schneegedanken wie ein Greis

      In der Erinnerung Eis

      Es (frieren) meine Glieder

                   (aus: E. L.- Sch., Verse aus dem Nachlass)

 

          Oskar Loerke (1884 – 1941)

          Winterliches Vogelfüttern

          1

          Schwirren sie von allen Seiten,

          Die Gereisten, die Gescheiten,

          Hör ich sie das Mahl begleiten,

          Fabelnd ihre alten Zeiten.

           

          Der von Singenberg war Truchseß,

          Der von Landegg war der Schenk,

          Und der Kämmerer war Göli,

          Wir sind ihrer eingedenk.

           

          Bei dem Abte von Sankt Gallen

          Hat es ihnen Wohlgefallen,

          Und er streute Futter allen

          Seinen Minnenachtigallen.

           

          2

          Aber Walther sehn wir nie.

          Wie er sang, ging er zur Ruhe:

          »Er ging schleichend wie ein Pfau,

          Drückte ein die Kranichschuhe,

          Und sein Haupt hing ihm aufs Knie.<

          Er versank im Himmelsblau.

                    (aus: Oskar Loerke., Der Wald der Welt, 1936)

 

        Max Herrmann-Neiße (1886 – 1941)

        Winter am See

         

        Diese Farben über allen Wassern,

        wenn es an das Überwintern geht,

        und der erste Tag mit blassern

        Schatten vor des Strandes Winden steht!

         

        Traute man sich gestern noch ein Schreiten

        in das warme Gelb des Sees zu,

        hüllt man heut sich in die Heimlichkeiten

        einer warm verwahrten Stubenruh.

         

        Nur die Farben fließen durch die Scheiben,

        wie ein letzter Gruß von dem, was starb.

        Sind wir feig, weil wir nicht bei ihm bleiben,

        weil verlassen seine Pracht verdarb?

         

        Einst ist uns ein Abschied auch befohlen,

        einsamer als diesem ew’gen Pan,

        den im Lenz die neuen Götter holen

        auf den frisch erblühten Wiesenplan.

         

        Wer holt uns aus den verschloss’nen Grüften,

        deren Tor unwiderruflich zu?

        Tummelt sich sein Chor schon in den Lüften,

        ist die Stube uns wie Grabesruh.

         

        Unsre Bilder weichen schon mit blassern

        Zügen in die leere Wand zurück,

        und die Farben über allen Wassern

        lügen, auch der Winter wäre Glück.

 

                                                                 (aus: M. H.- N., Einsame Stimme,  1927, Erstdruck Dezember 1924)

 

        Max Herrmann - Neiße (1886 – 1941)

        Breslauer Winternacht

         

        Nachts kriecht die Kälte aus dem Odereise

        und färbt den Mann der Würstchenbude blau.

        Um den Matthiasplatz in irrem Kreise

        trabt wahngetrieben eine Zeitungsfrau.

        Im Torweg Liebespaare stumm erstarrten

        zu gotisch keuschen Statuen von Stein.

        Den Grogerhitzten , die sich grölend narrten,

        gefrieren ihre heisren Stimmen ein.

        Das Droschkenpferd und hinter ihm der Wagen,

        sie schleppen sich als bald Gelähmte fort.

        Und ein Student mit hochgeschlagnem Kragen

        verlor die Würde und das Ehrenwort

        und sehnt sich nur noch nach der warmen Klause.

        So leer wie jetzt war nie der Straßenschacht.

        Verdächtige lauern heut an keinem Hause,

        auch Tiere bargen sich vor dieser Nacht.

        Ins Nichts des Himmels treibt bedrohlich düster

        durchs Wolkeneis ein Totenschiff: der Dom.

        Und fluchend mit den Schollen wirft als wüster,

        heilloser Trunkenbold der Oderstrom.             *

           

          (aus: Um uns die Stadt;  Anthologie Berlin 1931; geschrieben am 29. 01. 1930)

 

        Georg Heym ( 1887 - 1912)

        Der Winter

        Der Sturm heult immer laut in den Kaminen,

        Und jede Nacht ist blutigrot und dunkel,

        Die Häuser recken sich mit leeren Mienen.

         

        Nun wohnen wir in rings umbauter Enge

        Im kargen Licht und Dunkel unsrer Gruben,

        Wie Seiler zerrend an der Tage Länge.

        Die Tage zwängen sich in niedre Stuben,

         

        Wo heisres Feuer krächzt in großen Öfen.

        Wir stehen an den ausgefrornen Scheiben

        Und starren schräge nach den leeren Höfen.

          

         

        Georg Heym  (1887 - 1912)

        Der blaue Schnee liegt auf dem ebenen Land,

        das Winter dehnt. Und die Wegweiser zeigen

        einander mit der ausgestreckten Hand

        der Horizonte violettes Schweigen.

         

        Hier treffen sich auf ihrem Weg ins Leere

        vier Straßen an. Die niederen Bäume stehen

        wie Bettler kahl. Das Rot der Vogelbeere

        glänzt wie ihr Auge trübe. Die Chausseen

         

        verweilen kurz und sprechen aus den Ästen.

        Dann ziehen sie weiter in die Einsamkeit

        gen Nord und Süden und nach Ost und Westen,

        wo bleicht der niedere Tag der Winterzeit.

         

        Ein hoher Korb mit rissigem Geflecht

        blieb von der Ernte noch im Ackerfeld.

        Weißbärtig, ein Soldat, der nach Gefecht

        und heißem Tag der Toten Wache hält.

         

        Der Schnee wird bleicher, und der Tag vergeht.

        Der Sonne Atem dampft am Firmament,

        davon das Eis, das in den Lachen steht

        hinab die Straße rot wie Feuer brennt.

     

     

        Georg Trakl (1887 - 1914)

        Ein Winterabend

        Wenn der Schnee ans Fenster fällt,

        Lang die Abendglocke läutet,

        Vielen ist der Tisch bereitet

        Und das Haus ist wohlbestellt.

         

        Mancher auf der Wanderschaft

        Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.

        Golden blüht der Baum der Gnaden

        Aus der Erde kühlem Saft.

    Schneedornen

        Wanderer tritt still herein;

        Schmerz versteinerte die Schwelle.

        Da erglanzt in reiner Helle

        Auf dem Tische Brot und Wein.

                 *

             

      Ernst Blass (1890 – 1939)

      Dezember

      Nun ist die Glut verweht, der Ton verhallt,

      Es ragt der Baum an unbegangnen Wegen.

      Der das Alleinsein fürchtete und schalt,

      Empfindet nunmehr doppelt seinen Segen.

       

      Auf allen Strecken ist es rein und kalt

      Nicht mehr erfaßte Verführung einen Trägen,

      An das verbotne Feuer ihn zu legen,

      Das ihn zerschmilzt zu trüber Mißgestalt.

       

      Im Winter ist die ewige Majestät,

      Verjagend das Getändel und Gepläre

      Es läßt die Blätter stolz der große Berg,

       

      Steiler im Wuchs und nackter in dem Werk.

      An seiner hocherhabnen Seite steht

      Der graue Engel Schmerz, der hohe Herr.

       

                                  *                                                   (1915)

 

      Gertrud Kolmar (Gertrud Chodziesner, 1894 – 1943)  

      Winter      

      Der Triefbart zackt vereist vom Regenrohr.

      Nordost steift wölfisch das gespitzte Ohr.

       

      Ein Stern friert bläulich an, von Dunst umdickt.

      Der Neuschnee klingelt glasbehängt und tickt.

       

      Und Krähen schwimmen in den Acker schwer,

      Der starre Wellen schlägt, ein schweigend Meer.

       

      Ich steh am Uferwege, welk und klein,

      Und senkte gern der Schäumeflut mich ein,

       

      Die Fischernetze toter Amseln schleppt,

      In steinern grünlich dunklen Abend ebbt.

       

      Leicht splittert von der Wunde meiner Brust,

      Dem schwarzen Kreis, ein Vogel ab: Gekrust.

       

      Der Schneeglanz spült ihn hin: verdorrter Klang.

      Der Regenbogen über Wälder sang.

       

      Ich blieb. Durch meine Lider stichelt Reif.

      Und hinterm Auge, weit, zerfließt ein Streif

       

      In Grau und Rosa. Blaß verwischter Steig.

      Ein Silberkelch, aprilner Pfirsichzweig.

       

      Der leise, dichte Bienensüße weht.

      Die Woge atmet in ein Scillabeet.

       

      Den stummen Fittich aus: er dehnt sich matt . . .

      Kalt bleicht die Mondstirn, die kein Antlitz hat.

                      *

 

          Johann Spratte © (1901 – 1991)

          November

           

          Die Tage taumelten

          wie Trunkenbolde,

          voll vom süßen

          Most des Sommers

          In den Herbst.

          Nun ist der Rausch vorbei,

          die Nächte bringen Klarheit,

          und mit kaltem Finger

          zeigt der Mond

          auf den Dezember.

           

 

    (aus:  Johann Spratte, Zeit der Schwalben. Gedichte  Emsdetten 1975, S. 37)

 

        Johann Spratte © (1901 – 1991)

        Winter

         

        Der Schnee ist weiß

        und unbeschrieben,

        nur ein Weidezaun

        zeichnet Gedankenstriche.

        Morgen erzählen

        Spuren der Nacht

        ihre Geschichten.

         

 

    (aus: Johann Spratte,  Gelber Wiesenmond. Ausgewählte Gedichte., Lechte Verlag 

    Emsdetten 1980, S. 98)

    Ich danke ganz herzlich  dem Sohn des Autors, Herrn Wido Spratte, Wallenhorst/ Lechtingen,

    für die freundliche Abdruckerlaubnis;  Februar 2011 siehe auch:

                           In memoriam Johann Spratte

 

        Horst Bingel  (1933 – 2008)

        Winter

         

        Ein später Tag,

        die Schwäne südwärts fliegen.

        Das Schwingen ihrer Flügel

        den Kalender

        schreibt.

         

        Tage kommen,

        Schnee

        fällt.

           

            *

        Horst Bingel  (1933 – 2008)

        Schnee

         

        Kind sein,

        mit dem Wind um die Wette laufen,

        Schnee das Land jetzt küßt,

        der Tag sich löst,

        der Schneemann

        Kinder liebkost.

         

        Nicht die Kälte spüren,

        die das Haus umstellt,

        mit dem Wind reisen,

        Schnee das Land

        im Kuß

        umarmt.

             *

    Beide Gedichte aus:

    Horst Bingel, Den Schnee besteuern. Gedichte. orte-Verlag AG 

    CH  Oberegg AI und Zürich 2009 

    Frau Barbara Bingel ganz herzlichen Dank für die Abdruckerlaubnis.

 

 

          Albert von Schirnding (* 1935)

          Wintervögel

           

          Wintervögel Letzte Tage

          flugabwärts nahem Abgrund zu

          Mit fremden Federn hältst Verlorener du

          dich eine Weile noch in schräger Lage

           

          Ach nein dir hilft kein Flügelschlagen

          ins Zentrum des zerstörten Gleichgewichts

          So laß dich fallen laß dich tragen

          vom Gegenwind ins blaue Licht des Nichts

           

                *

 

    aus: Albert von Schirnding: Übergabe. Achtzig Gedichte. Ebenhausen b. München 2005, S. 79  - 

    Langewiesche-Brandt KG

 

          Albert von Schirnding (* 1935)

          Winterlicher Vorgang

           

          Die Möwen hocken

          wie festgefrorne Steine

          auf dem Eis locken

          meine und deine

           

          zögernden Schritte

          hinaus zu den Toten

          Gelegentlich kommen Boten

          angeflogen Schnitte

           

          von blitzenden Messern

          trennen uns Ortlos

          bin ich Zu andern Gewässern

          sinkst du wortlos

                    *

 

    (aus: Albert von Schirnding: Übergabe. Achtzig Gedichte. Ebenhausen b. München 2005,  S. 47 -

    Langewiesche-Brandt KG

 

          Albert von Schirnding (* 1935)

          Gefrorener Weiher

           

          Fläche die

          ihre Tiefe vergaß

          Spiegel

          hingehalten dem Licht

          daß es komme

          ja daß du kommst

           

                        *

                                   (aus: Albert von Schirnding: Übergabe. Achtzig Gedichte.  S. 31 

 

      Albert von Schirnding (* 1935)

      Schnee mein Feind

       

      Weg auf dem du neben mir

      gehst den Berg hinab vorm Haus

      Jeden Morgen bring ich dich

      fort zum Bus der dich entführt

       

      Trennung Winken Deine Hand

      losgelassen vogelfrei

      flattert hinter trübem Glas

      und ich kehr allein zurück

       

      Schnee der fiel vergangne Nacht

      zeigt mir grausam deine Spur

      Schnee mein Feind der ohne Scham

      den geheimsten Schmerz verrät

           *

       

    aus: Albert von Schirnding, War ich da? Gedichte, Edition Toni Pongratz,  Hauzenberg 2010, S. 17

    Dem Autor für die spontane Antwort vom 16. 02. 2012  - und sein großzügiges Einverständnis mit

    einer Gedichtauswahl für einen Abdruck hier - meinen  ganz herzlichen Dank. (Ad)

 

 

          Monika Taubitz © ( * 1937)

          Winterrose

           

          Rose, hier

          in den Wintergärten,

          löse dein rostiges Siegel.

          Falle,

          bevor die Süße vergärt

          zu Bitternis.

          Entlasse

          aus deiner Verwesung

          das sinkende Jahr.

          Aus unserer Winterstarre

          erlöse dein zeitloses Bild.

              *

 

    aus: Monika Taubitz, Dir, Spinnweb Zeit, ins Netz gegangen, Die Künstlergilde

    Esslingen 1983,  S. 8   s. Sonderseite Monika Taubitz

     

                                   copy noch eingefroren:

    Augustin Wibbelt ( 1886 – 1947)

     De Winter (De Winter kümp in’t Land )

    Hermann Hesse (1877 - 1962 )

    Im Nebel (Seltsam, im Nebel zu wandern) 

    Peter Huchel  (1903 - 1981 )

    Wintersee    (Ihr Fische, wo seid ihr) 

    Krähenwinter  (Über Luch  und Rohr und Seen)

    Heinz Erhardt (1909 - 1979)

    Winteranfang (Verblüht sind Dahlien und Ginster)

    Karl Krolow (1915 –1999)

    Nebelwelt (Schatten und der Schatten Spiele)

    Winter. Umwelt (Schnee ist nicht/ die kälteste  Sache, die wir kennen)

    Johannes Bobrowski (1917 - 1965) 

    Dezember (Lied durch den Schnee, die kleine/  Birke zu wärmen)

    Eugen Gomringer (* 1925)

    es – immer wieder gelingt es

    Peter Härtling (* 1933)

    Schneelied (Mit dem Schnee will ich trauern)

    Sarah Kirsch (1935 - 2013)

    Die Luft riecht schon nach Schnee (, mein Geliebter)

    Winter (Ich lerne mich kennen, zu der Zeit)

    Doris Runge (* 1943)

    schnee fällt (befällt/zuerst/ die augen)

    ein schleier (schnee bin ich)

    jahreszeiten (frühling)

 

 

      Erich Adler ©

       Blick aus dem Fenster

                                            Für Robert und Moni         

      Entlaubte Zweige der Rotbuche

      Mein Blick hindurch auf die Himmelstafel

      vom auslaufenden Griffel zerteilt der

      tiefrosa am Horizont

      in den Wald

      hinein schreit

      Aus dem Schornstein des Nachbarn empor

      wandernde Schneise ins Dunkel

      Helle Häuserwand Balkon ohne Menschen

      - stiller und endlicher wenn das Saxophon meines Sohnes Pause macht - 

      dahinter die schwarze Silhouette vorm verblassenden Blau

       

      Keine Gefühle mehr für den Winter.

       

                                  (2006)

                           In memoriam: Robert Kretzschmar (21. 11. 1961  - 17. 08. 2012)

 

        Erich Adler © (* 1944)

        Winter Gelobtes Land

         

        Einen Schritt vor die Tür setzen

        unter  die Sonne

        den Himmel

        hinein in den blauen

        Mut

         

        zwischen Wänden

        den Häusern

        kein Wasser

        kein Strom

         

        selbst Kinderhänden  wächst

        an vermauerten Herzkammern kaum

        Medizin zu

        im verwundeten

        Neujahr der Grenzen

 

        Dem kleinen Ghasan gingen Bruder und Jahreszeit

        durch Panzer verloren

 

        und wirft seinen Ball in den kalten Raum

        ganz vertieft ins Vergessen. 

 

                                                 *

    Für  Faten Mukarker

    nach ihrem Vortrag in der  Christus König – Gemeinde,  Osnabrück - Haste,   20. 06. 2011 .

    Das Gedicht erschien 2009 in der Anthologie Herzhände. Dorante Edition Berlin, S. 107

                                                                                               

     

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